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Archiv-Artikel

Schieflage in Hamburgs Schulen

Vorläufige Pisa-Studie erklärt Hamburgs SchülerInnen zu den dümmsten in Deutschland: In allen Tests landen sie im untersten Drittel im Vergleich der Bundesländer. Politischer Streit über die Ursachen und die notwendigen Folgerungen entbrannt

Von Sven-Michael Veit

Auf ihre Leistungen dürfen Hamburgs SchülerInnen sich nicht viel einbilden. Die gestern veröffentlichte Kurzversion der internationale Pisa-Studie sieht sie im untersten Drittel unter allen 16 Bundesländern. Getestet wurden 15-Jährige auf ihre Kompetenzen in Mathematik (Platz 15) und Naturwissenschaften (14), im Lesen (13) und im Problemlösen (10). Im Durchschnitt liegt Hamburg mehr als 30 Punkte hinter dem deutschen Spitzenreiter Bayern. Das entspricht dem Lernfortschritt eines ganzen Schuljahres (weitere Berichte Seiten 1, 3 & 24).

Die arg schmal geratene Studie, die gestern in Berlin vorgestellt wurde, enthüllt dennoch die unvermindert hohe Chancenungleichheit im deutschen Schulsystem. Vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien und von Migranten würden zu wenig gefördert. Da in Hamburg der Anteil der Migrantenkinder etwa doppelt so hoch ist wie in Bayern, wirkt sich die fehlende soziale Durchlässigkeit unmittelbar auf die Ergebnisse aus.

Politischer Streit in Hamburg entbrannte gestern sofort über Ursachen und Konsequenzen. Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) wies ihren Vorgängern die Schuld zu. Zum Testzeitpunkt im Frühjahr 2003 habe die Politik des CDU-Senats noch keine Wirkung entfalten können. Die seitdem eingeleiteten „Maßnahmen wie Zentralabitur, neue Bildungspläne und Qualitätskontrollen sind richtig“, meinte Dinges-Dierig. Beim nächsten Test 2006 werde es Hamburg „weit nach vorne“ bringen. Auch CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann sieht nur „bestätigt, dass die jahrzehntelange SPD-Bildungspolitik auf ganzer Linie gescheitert ist“.

Es müsse Schluss sein „mit dem ständigen Sparen und Herumstümpern“, forderte hingegen SPD-Fraktionsvize Britta Ernst. Der CDU-Senat vergrößere die Klassen, streiche die Sprachförderung zusammen und belaste Eltern mit Gebühren. Auch sie hofft auf die Zukunft. Beim nächsten Pisa-Test würden die SchülerInnen erfasst, die von der Ende der 90er Jahre eingeführten verlässlichen Halbtagsgrundschule profitierten. Erst dann würden „die Kompetenzzuwächse“ sichtbar, glaubt Ernst.

So sieht das auch ihr grüner Kollege Christian Maaß. Er verweist darauf, dass die 2003 getesteten Viertklässler in Mathematik bereits vor den bayerischen Kindern lagen. Dieser noch von Rot-Grün eingeschlagene „richtige Weg“ werden nun aber „durch das Reformchaos der CDU und der Schulbehörde gefährdet“.

Die Handelskammer sieht den Ausweg in mehr Selbständigkeit der Schulen. Nur die Einhaltung von Mindeststandards sollte „von unabhängiger Seite überprüft werden“. Für die Lehrergewerkschaft GEW hingegen sind die „Grundprobleme das frühe Sortieren der SchülerInnen nach Schularten und die zunehmende Unterfinanzierung“. Dagegen hülfen, so Vorstand Horst Bethge, „40 Milliarden Euro und eine Schule für alle“.