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„Schief gelaufen“

■ Mercado: Proteste gegen Werbe-Show vor Gedenktafel für jüdischen Friedhof

„Was soll ich noch sagen, wenn Menschen nicht von allein sensibel genug sind?“ Hamburgs Landesrabbiner Dov-Levy Barsilay war nicht und wird nicht ins Einkaufszentrum Mercado in Ottensen gehen, um die dortige Werbeveranstaltung der Firma Schaulandt zu bewerten: Seit Dienstag wirbt der Elektronik-Fachhändler im Basement des Mercado mit lauter Musik, bunten Ständen und Plakaten für seine „Mobilfunktage“.

Die Kommerz-Show findet bis heute in direkter Nähe zu der Gedenktafel statt, die seit Anfang des Jahres in dem zuvor heiß umstrittenen Einkaufszentrum an den darunterliegenden ehemaligen jüdischen Friedhof erinnert. Und bis vorgestern, als es Proteste von KundInnen gegen die Geschäftsführung hagelte, prangte direkt über der Gedenktafel ein 50 Zentimeter hohes Werbe-Banner von Schaulandt.

„Es kann nicht sein, daß wir Juden durchs ganze Land ziehen und gucken, ob die Friedhöfe und Gedenktafeln nicht verschandelt werden“, sagt Rabbiner Barsilay. Und: Ist nicht schon eine Gedenkstätte in einem Einkaufszentrum ein Widerspruch in sich? Wer wollte da festlegen, ob ein Abstand von zehn oder 50 Metern zur nächsten Werbung der angemessene ist? „Es ist Aufgabe der Betreiber einer Gedenkstätte, darauf zu achten, daß ordnungsgemäß mit ihr umgegangen wird.“

„Das ist schief gelaufen“, bedauert Michael Epping vom Mercado-Center-Management. „Es tut uns leid.“ Man habe Schaulandt aber nach den Beschwerden „sofort veranlaßt“, das Banner abzunehmen. Von allein war die Firma nicht darauf gekommen. Im übrigen werde die Werbeveranstaltung fortgesetzt: „Wir sind ein Einkaufszentrum.“ Künftig, so Epping, beispielsweise bei Tanzveranstaltungen, werde man die Gedenktafel eben zeitweilig „verhängen“. Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Nicht, um sie zu verstecken, sondern um die Pietät zu wahren.“

Heike Haarhoff

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