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Archiv-Artikel

Schicht im Schacht

Besuch im Salzstock: In Zeiten des Moratoriums stehen die Arbeiten im Erkundungsbergwerk Gorleben still. Doch die schwarz-rote Endlagerdebatte und die Pläne für ein Untertagelabor beruhigen die Atomgegner im Wendland keineswegs

Am Ende des Verfahrens könne „auch heraus kommen, dass Gorleben das geeignetste Endlager ist“

Aus GorlebenKai Schöneberg

Bohrwagen, Bagger und Jeeps stehen nutzlos im Salzstock herum. „Die werden alle paar Wochen bewegt“, sagt Christian Islinger. „Damit wir sofort weitermachen können, wenn das politische Go kommt.“ Darauf könnten Isslinger und seine etwa 80 Kollegen von der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE) noch Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, warten.

Bis zum Erkundungsstopp vor sechs Jahren arbeiteten 500 Leute in bis zu 930 Metern Tiefe daran, den Salzstock in Gorleben auf seine Eignung als Endlager für Atommüll zu überprüfen. „Wir waren der zweitgrößte Arbeitgeber in der Region“, sagt Islinger. Doch nun ist weitgehend Schicht im Schacht.

Einige Besuchergruppen werden noch durch die sieben Kilometer langen unterirdischen Trassen geschleust, 2.000 Messstellen prüfen, ob das Salz sich schneller bewegt als befürchtet. Das Erkundungsbergwerk, um dessen Eignung Atomkraftbefürworter und -gegner seit Jahrzehnten erbittert streiten, ist im Wartestand.

Der wird wohl noch einige Jahre andauern. „Im Sommer“ will Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sein Konzept vorlegen, wie bundesweit ein Atom-Endlager gesucht werden soll – genauer will sich sein Sprecher Thomas Hagbeck nicht festlegen. Am Ende des Verfahrens könne zwar „auch herauskommen, dass Gorleben das geeignetste Endlager ist“, sagt Hagbeck. Zunächst werde man aber auch in anderen Gesteinsformationen wie Granit oder Ton untersuchen, ob sie geeignet sind, hochradioaktiven Atommüll zu lagern, und sie dann mit dem Salzstock unter dem Wendland vergleichen. Wo die Standorte liegen und wie lange die Suche dauern könnte, „steht noch nicht fest“, sagt Hagbeck.

Die Energieversorger wollen angeblich 1,2 Milliarden Euro für die Suche bereitstellen. Ob Schwarz-Rot in Berlin die Endlagerkarten wirklich neu mischt, bezweifeln viele. Immerhin sind bereits über 1,4 Milliarden Euro in die Erkundung Gorlebens geflossen. „Es gibt weltweit keinen Salzstock, der so gut erkundet wurde wie dieser“, sagt DBE-Mann Islinger.

Andreas Meihsies, Atomexperte der grünen Landtagsfraktion in Hannover, ist skeptisch. Gabriel „verabschiedet sich offenbar von einer ergebnisoffenen Standortsuche“, fürchtet Meihsies, der zum Besuch in Gorleben geladen hat. Es ist sein erster Termin vor Ort, der „erste Besuch jenseits des Zauns“. Und natürlich war auch er bislang froh, dass hier die Arbeiten wegen des Moratoriums ruhen.

Umso beunruhigter war er über die Pläne der Technischen Universität (TU) Clausthal, die in Gorleben für 130 Millionen Euro ein Untertagelabor einrichten will, um die Endlagerung besser zu erforschen (taz berichtete). Atomkraftgegner argwöhnen, die TU wolle mit dem Labor gemeinsam mit der Atomlobby ein „Endlager durch die Hintertür“ durchsetzen. „Bislang haben wir keinen Input von der Uni Clausthal“, sagt Wilhelm Hundt von der Bundesanstalt für Strahlenschutz (BfS), die ein Labor genehmigen müsste. Ohne Konzept fehle dem BfS „eine Grundlage, die wir bewerten können“.

Auch den Plänen der Clausthaler, im Labor die „Rückholbarkeit“ des Atommülls zu erforschen, steht das BfS kritisch gegenüber. Das hieße, das Endlager nicht komplett zu versiegeln, damit der Atommüll eines Tages zur Wiederaufarbeitung wieder hochgeholt werden kann, sofern dies technisch möglich ist. „Stellen Sie sich vor, vor den Pyramiden steht heute noch ein Beduine und passt auf, dass niemand was klaut“, erklärt Islinger den Aufwand beim „Rückholen“.

Zu gefährlich, findet das BfS. Der Atommüll solle besser auf ewig unter Tage versiegelt werden – ohne Bewacher. Hundt: „Wir sehen derzeit keinen Bedarf für die Einrichtung eines Untertagelabors“.