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Scherf-Vertreter „verleumdet unverfroren“

■ Streit um Notunterkünfte für Aussiedler und Asylanten: DGB-Berufsfortbildner haben lieber ihre Autos als DDR-Aussiedler in der Nachbarschaft

Hans Christoph Hoppensack, seines Zeichens Senatsdirektor des Sozialen und Amtsverweser von Bürgermeister Scherf, ist derzeit ein wenig beneidenswerter Mann: Grundsätzlich und allgemein moralisch muß sich Hoppensack natürlich genauso wie jede andere BundesbürgerIn mit und über jeden freuen, der rübergemacht ist aus der DDR in Bremens freien Westen. Konkret behördlich hat Hoppensack allerdings nix wie Ärger mit dem neuen Freiheitshunger der DDR-ÜbersiedlerInnen. Seit Wochen fangen die meisten Amtshandlungen Hoppensacks, der seinen Arbeitstag eigenem Bekunden nach auch früher „ganz sinnvoll zubringen konnte“, irgendwie mit „not-“ an. Hoppensack unterbringt, löst und bremst unablässig not. Dabei kann der Senatsdirektor nicht einmal auf besondere Anerkennung seiner Notdienste hoffen. Im Gegenteil: Im Senat kriegt der Mann fürs Notdürftigste ständig zusätzlichen Ärger. Seit Hoppensack sich keinen anderen Rat mehr wußte, als gegebenenfalls die Beschlagnahmung leerstehenden, privatbesessenen Wohnraums anzukündigen, zittert der Senatskollege von der Wirtschaft z.B. heftig ums Bremer Image bei potenten Investoren.

Der „unverfrorenen Verleumdung“ hat Hoppensack sich bislang allerdings nicht mal in Senatskreisen bezichtigen lassen müssen. Das behielt sich der Gewerkschaftsbund, namentlich seines Berufsfortbildungswerks vor. Mit den DGB-eigenen Berufsfortbildnern war Hoppensacks Behörde kürzlich aneinandergerasselt, als die Gewerkschafter aus der Zeitung von Plänen erfuhren, wonach in ihrer direkten Nachbarschaft fünf Schnellbau-Häuschen für Aus-und Übersiedler bebaut werden sollen. Die Gewerkschafter fürchteten um ihre 200 Parkplätze und hielten Hoppensack beschwörend einen rechtsgültigen Mietvertrag über das Grundstück entgegen. Als wenig später trotzdem ein Vermessungstrupp der Bremischen Gesellschaft erschien, um Maß für Kanalanschlüsse und Stromleitungen zu nehmen, machte BFW-Geschäftsführer Egon Brinkmann von seinem Hausrecht Gebrauch. Unvermessener Dinge mußten die Baumänner wieder abziehen. Telefonisch stellte Brinkmann der Bremischen ein Ultimatum: Der Parkplatz bleibt unbebaut, statt der geplanten fünf gibt es neben dem BFW nur vier Aussiedler-Häuschen und die kommen parkplatzschonend auf eine benachtbarte Wiese. Sonst, so drohte Brinkmann, fahre ich vier Wochen in Urlaub und solange wird überhaupt nicht gebaut!

Als Hoppensack sich mit Blick auf derart solidarisches DGB -Entgegenkommen gegenüber den obdachlosen Brüdern und Schwestern aus der DDR über mancherlei bürokratische Hindernisse - auch beim BFW - beklagte, reagierte Brinkmann postwendend. Aus seinem Urlaubs-Intercity-Abteil diktierte Brinkmann jetzt dem Sekretariat in der Düsseldorfer BFW -Zentrale den Rat an Hoppensack, lieber für „kompetentes Handeln“ in der eigenen Behörde zu sorgen. Aus Düsseldorf nahm der Brief seinen Telekopierweg ins Bremer BFW, wo Brinkmann-Stallwächterin Heike Krüger „i.V.“ unterzeichnete und von Mitarbeiterin Lore Voß „i.V.“ verschicken ließ.

Was sie da eigentlich (unter)schrieben, weiß allerdings weder in der Düsseldorfer BFW-Zentrale noch in der Bremer Depandance irgendjemand. Bis Egon Brinkmann erholt zurückkehrt, muß deshalb sein Geheimis bleiben, warum er die Vertreibung von Vermessungsbeamten und die eigenen Telefon -Ultimaten „als 5-Minutengespräche“ zur Beseitigung „aller Unklarheiten“ im Sinne „konstruktiver Lösungen“ bezeichnet, während er Scherf-Vertreter Hoppensack gleichzeitig im gleichen Atemzug beschimpft, das unshuldige BFW als „Sündenbock an die Öffentlichkeit“ gezerrt zu haben.

K.S.

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