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Scheinummeldung für die SchuleMutti beim Mogeln erwischt

Mit Scheinanmeldung zur Wunschschule: Viele Eltern schummeln fürs Kind. Ein Mädchen in Lichtenberg verliert nun per Gerichtsbeschluss den Platz an ihrer Schule.

Ab in die Grundschule! Diese Kinder haben bestimmt alle einen legalen Schulplatz. Bild: AP

Grade mal sechs Wochen nach Schulbeginn fliegt eine frischgebackene Gymnasiastin von ihrer neuen Schule in Lichtenberg. Nicht weil sie sich danebenbenommen, sondern weil ihre Mutter geschummelt hat. Um den begehrten Platz am Coppi-Gymnasium zu ergattern, hatte sie die Familie zum Schein an einem näher zur Schule gelegenen Wohnort angemeldet. Als das rauskam, hatte die Schule dem Mädchen den Platz aberkannt. Richtig so, sagte das Verwaltungsgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss.

Bei der Schulanmeldung in Berlin gilt: Wer näher an seiner Wunschschule wohnt, hat laut geltendem Schulgesetz mehr Chancen auf einen Platz. Das verführt Eltern offenbar zum Gesetzesbruch. Laut Gerichtssprecher Stephan Groscurth hat das Verwaltungsgericht mit dem Beschluss nun erstmals bestätigt, dass eine Scheinanmeldung zum Verlust der Schulplatzes führen kann. Zwar sei die Entscheidung für den Sekundarschulbereich gefallen und dort gelte das Erreichbarkeitskriterium ab kommendem Schuljahr mit dem neuen Berliner Schulgesetz nicht mehr. "Aber im Grundschulbereich stellen sich die gleichen Fragen", sagt Groscourth. Tatsächlich ist die Wohnadresse für Grundschüler noch entscheidender, denn hier werden die Schulplätze grundsätzlich nur an die vergeben, die auch im Einschulungsbereich einer Schule wohnen.

"Das Problem der Scheinanmeldungen ist ziemlich groß in Berlin", sagt auch Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP im Abgeordnetenhaus. "Die Eltern haben die Faxen dicke und wollen selbst entscheiden, wo sie ihre Kinder einschulen." Dafür würden sie sich eine Menge einfallen lassen.

Während Mieke Senftleben freie Schulwahl fordert, begrüßt Monika Herrmann, Bildungsstadträtin der Grünen in Kreuzberg, den Beschluss. "Es ist gut, dass das Gericht dieses Vorgehen bestätigt. Wir sind in der Vergangenheit genauso verfahren", sagt Herrmann. Sie gehe davon aus, dass die Dunkelziffer der Scheinummeldungen auch in ihrem Bezirk hoch ist. So seien im Einzugsbereich der Charlotte-Salomon-Grundschule plötzlich 40 Kinder aufgetaucht, die ein halbes Jahr zuvor dort noch nicht gemeldet waren.

Inzwischen wehrten sich auch Kreuzberger Eltern gegen zu viel Konkurrenz von auswärts. Sowohl an der Charlotte-Salomon-Grundschule als auch am Leibniz-Gymnasium hätten Eltern, die für ihr Kind keinen Platz bekamen, Rechtsanwälte beauftragt, Scheinummeldungen herauszufinden, berichtet Herrmann. "In einigen Fällen haben wir daraufhin die Eltern angeschrieben und den Schulplatz aberkannt." Die Betroffenen hätten aber nicht widersprochen.

Da jagen also die einen engagierten Eltern die anderen: Auch am Coppi-Gymnasium gaben nach Angaben eines Referenten der Lichtenberger Schulverwaltung verärgerte Eltern den Ausschlag für die Überprüfung des von der Schule gewiesenen Mädchens. So kam heraus: Die Mutter hatte den Wohnsitz erst kurz vor der Schulanmeldung umgemeldet. Außerdem lebt in der angegebenen Wohnung bereits eine vierköpfige Familie auf 86 Quadratmetern. Auch auf dem Klingelschild war der Name der Familie nicht zu finden. Nun muss das Mädchen in eine andere Schule umgeschult werden. Die Mutter kann Beschwerde gegen den Beschluss einlegen.

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11 Kommentare

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  • ER
    Er. Ro.

    Wieso schreiben gleich zwei Briefschreiber "InternEt" statt "InternAt"? Hat da die automatische Rechtschreibkorrektur zugeschlagen?

  • S
    stiller

    Jau, Rod. Engagierte Eltern schicken ihre Kinder ins Internet, ganz klar. Ansonsten haben Sie offensichtlich keine Ahnung von den Verhältnissen an innerstädtischen Schulen. Sonst würden Sie nicht so maßlos übertreiben.

  • TB
    Tim Bre

    Freies Wahlrecht der Eltern löst das Problem doch nicht. Die beliebten Schulen werden weiter auswählen müssen. Wenn nicht nach Wohnort, dann nach Spendenbereitschaft der Eltern, soziale Kompetenz des Kindes, oder andere Dinge. Gerechter wird es nicht. Die Forderung kommt nur von Leuten, die dadurch sich einen Vorteil erhoffen - wie die FDP-Klientel.

     

    Klar läuft was schief, aber nicht seit gestern, sondern seit mindestens 20 Jahren. Schnelle Lösungen gibt es nicht und die langsamen werden nicht von den Eltern als Wähler goutiert.

     

    Solange es aber der Berliner Politik wichtiger ist, hippe junge Leute zum Studium und hungerleidendes Kreativpotential nach Berlin zu locken, als die eigene Bildungspolitik auf Vordermann zu bringen, wird sich der Kampf um die "guetn Schulen" noch verschärfen.

  • R
    Rod

    Eltern, die etwas auf sich halten und das notwendige Geld haben schicken ihre Kinder sowieso auf ein Internet außerhalb Berlins, damit sie dort wenigstens flüssiges Sprechen in deutscher Sprache und nicht "Kanacksprach" lernen.

  • J
    Jan

    Eltern sollten das Recht haben zu bestimmen, wo die Kinder auf die Schule gehen. Alles Entmündigung, und ein Trauerspiel, daß Eltern solche Tricks anwenden müssen um die Zukunft der Kinder zu sichern.

  • M
    Max

    Frage mich nur warum dass meine Eltern nicht auch so gemacht haben. Meine Grundschule war eine sogenannte Brennpunktschule, es gab also Prügel auf gut Deutsch.

     

    Um mir dieses vierjährige Martyrium zu ersparen wären mir ALLE Mittel Recht gewesen - aber es hieße immer man könne da nichts machen (wegen der Sprengelregelung).

     

    Natürlich kann man da was machen, zum Schein anmelden, Waldorfschule, von mir aus auch konfessionell, nichts ist schlimmer als vier Jahre lang täglich verprügelt und gemobbt zu werden.

  • GA
    Gereon Asmuth

    @???

    Nein, natürlich haben wir den Artikel nicht abgeschrieben. In der Print-Ausgabe dieses Artikels wurde jedoch ein Zitat von Mieke Sentfleben hervorgehoben. Beim Übertragen eines Textes auf taz.de sollen solche herausgehobene Zitate eigentlich automatisch gelöscht werden. Leider ist diesmal die Zitatgeberin stehen geblieben. Ein technisches Problem, das wir zu entschuldigen bitten.

     

    Grüße aus der taz,

    Gereon Asmuth

  • S
    sandramo

    Oje, nach Kreuzberg entwickelt sich nun also auch Lichtenberg zu einem Hort urbaner Dorftrottel. Wegbeißen Fremder durch Denunziation ist nicht nett.

  • ???

    Was soll der letzte Satz: Mieke Senftleben, FDP ???

    Habt ihr den Artikel abgeschrieben ?

  • S
    Schneider

    "Das Problem der Scheinanmeldungen ist ziemlich groß in Berlin",

    "Die Eltern haben die Faxen dicke und wollen selbst entscheiden, wo sie ihre Kinder einschulen."

     

    Wenn die Mutter gemogelt hat, sollte sie bestraft werden, aber nicht die Tochter.

     

    Ich finde es tragisch, daß die Suche nach einer guten Schule so chaotisch ist.

    Berlin braucht Lösungen; auch für das o. g. Mädchen.

    Nach meinem Verständnis sollte sie an der Schule verbleiben dürfen.

  • C
    cabana

    Etwas ganz wesentliches fehlt im Artikel - warum wollen denn so viele Eltern ihre Kinder auf eine andere Schule schicken? Wenn die Leute dermaßen tricksen und sogar versuchen, den Schulplatz auf illegale Art und Weise zu bekommen, dann läuft ja irgendwas im Schulsystem nicht rund...