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■ Stimmann in der KritikScheingefechte

Ein Seitenhieb gegen Senatsbaudirektor Stimmann galt schon immer als schick. Da fochten die Vertreter offener Stadtlandschaften gegen die „kritische Rekonstruktion“ und die Avantgarde-Architekten gegen Stimmanns „Architektenmafia“ aus der Paris-Bar. Daß der streitbare Verfechter von Blockbebauung und Traufhöhe nun – wie zuletzt in den Berliner Medien – auch noch als Sündenbock für die leeren Bürolandschaften herhalten muß, gehört dabei zum Schmückwerk. Wenn um Stimmann und die Berliner Innenstadt gestritten wird, geht es meist am Thema vorbei.

Am deutlichsten wurde dies beim Architekten- oder besser Fassadenstreit. Während allenthalben über das „steinerne Haus“ und den „Rückfall in den Konservatismus“ räsoniert wurde, spielte das Innenleben der Bauwerke keine Rolle. Einzig unbequeme Architekturkritiker wie Dieter Hoffmann-Axthelm oder Wolfgang Kil forderten gebetsmühlenartig eine Debatte um die Qualität der städtischen Nutzung. Sie wiesen zurecht darauf hin, daß Urbanität keine Frage von Mickymaus-Fassaden, sondern einer kleinteiligen Mischung von Wohnen, Arbeiten und Kultur ist.

Daß diese Mischung in der Berliner Mitte – trotz eines 20prozentigen Apartmentanteils – auf der Strecke geblieben ist, ist allerdings weniger die Schuld eines „glücklosen“ Hans Stimmann, sondern der real existierenden Eigentumsverhältnisse. Zunächst der sozialistischen, die zum Beispiel der Friedrichstraße die heute so garstigen Großblöcke verschafft haben, und später der kapitalistischen, in denen der Profit für den Bauherrn als gesellschaftlich wichtiger erachtet wird als der Nutzen für die Stadt. Urbanität heißt eben auch Verzicht auf wirtschaftliche Verwertung. Oder traditioneller formuliert: Wer über städebauliche Qualität redet, darf über eine radikale Bodenreform, über Bodenvorratspolitik, über kommunales Bauen nicht schweigen. Ein Lamentieren über Geschmacksfragen hilft da ebensowenig wie ein Deus ex machina als neuer Baudirektor, womöglich noch von der CDU. Uwe Rada

Siehe Berichte auf Seite 23

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