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Schauspieltipps von Michael Caine"Niemals blinzeln!"

Augenklimpern vermeidet der britische Schauspieler Caine auf der Leinwand. Den Grund dafür verrät er im Interview über Schauspielregeln, divenhafte Restaurantköche und ein Geständnis von Jim Carrey.

Ohne mit der Wimper zu zucken: Caine und Law im neuen "Sleuth"-Remake. Bild: concorde

taz: Sie haben vor Jahren in einem Ihrer Vorträge zur Kunst des Filmschauspielerns einen ganz wesentlichen Grundsatz genannt, den Sie stets beherzigten: Niemals blinzeln! Nur so wirke man souverän. Ich habe nun Ihre Darstellung in der Neuverfilmung des Kriminalkammerspiels "Sleuth" auf diesen Aspekt hin überprüft. Es ist, wenn ich nicht gerade selbst geblinzelt habe, tatsächlich so: Sie blinzeln nie.

Michael Caine: Sollte man auch nicht tun. Es sei denn, man will lustig sein - oder irgendwie schüchtern wirken: Hugh Grant blinzelt andauernd, um die Schwäche seiner Figuren zu betonen, die nie wissen, was sie mit einem Mädchen anstellen sollen. Was ich aber auch seit Jahrzehnten predige: Man muss sich, wenn man ein Gegenüber anspielt, immer ein Auge aussuchen, das es dann zu fixieren gilt. Wenn Sie zwischen den beiden Augen Ihres Partners wechseln, sieht das sofort unsicher, nervös aus.

Solche simplen Tricks kann man sich gut merken.

Und es beeindruckt die Kollegen: Als ich den Komiker Jim Carrey kennenlernte, trat er auf mich zu, starrte mich an und meinte, ohne auch nur Hallo zu sagen: "Sehen Sie mal. Ich habe mich für Ihr rechtes Auge entschieden." Ich antwortete: "Aha, Sie haben die DVD meines Vortrags daheim!" Er gabs zu.

Sie dagegen haben zugegeben, dass man, um ein guter Schauspieler zu werden, unbedingt stehlen müsse - aber nur von den besten Vorbildern. Denn bei denen könne man sicher sein, dass sie selbst nur Gutes gestohlen hätten.

Klar, wer stiehlt schon gern Müll?

Von wem stehlen Sie denn?

Von Humphrey Bogart und Marlon Brando. Das sind meine Favoriten. Bogart habe ich leider nie kennengelernt: Er war tot, bevor ich nach Amerika kam. Brando kannte ich, allerdings nur flüchtig.

Was muss man als Schauspieler können?

Ich empfehle vor allem: zuhören. Es bringt nichts, nur dazustehen und darauf zu warten, dass man seine vorbereitete Dialogzeile loswerden kann. Es geht ums Zuhören. Ich habe in der U-Bahn mehr übers Schauspielern gelernt als auf jeder drama school - indem ich einfach nur Leute beobachtet und ihnen zugehört habe.

Kann man darstellerische Qualität testen?

Stellen Sie sich vor, Sie proben eine Gesprächsszene mit einem Partner, und ein Kollege kommt zufällig vorbei: Wenn der sich entschuldigt dafür, dass er beim Proben stört, machen Sie was falsch. Er sollte sich zwanglos dazusetzen, weil er glaubt, Sie besprechen da gerade irgendwas Alltägliches.

Halten Sie die Schauspielerei nicht manchmal für eine etwas eigenartige Profession?

Für mich war sie immer schon ein großer Spaß. Deshalb wurde ich ja Schauspieler: Ich trat als Teenager einer Amateurtheatergruppe bei, um hübsche Mädchen kennenzulernen. Ich war 14, verzweifelt und in der Liebe völlig erfolglos. Also dachte ich, wenn man Schauspieler wäre, würde sich daran was ändern. Leider dauerte das aber.

Als Sie ein paar Jahre später Ernst machten mit dem Schauspielern, fanden Sie heraus, dass dieser Beruf in England um 1954 keine besonders hohen Prestigewerte genoss.

Als ich meinem Vater gestand, dass ich Schauspieler werden wollte, konnte ich ihm ansehen, was er von dieser Idee hielt. Wer diesen Beruf ergreifen wollte, galt im Weltbild meines Vaters als homosexuell. Aber meine Mutter stand mir bei: Sie meinte, ich könnte werden, was immer ich wollte. Ich heiratete ein Jahr später: Ich frage mich selbst manchmal, ob ich damit nur meinem Vater etwas beweisen wollte. Denn die Ehe war ein Desaster, ich war viel zu jung dafür.

Ihre Freundschaft zu dem Dramatiker Harold Pinter, der ja nun auch das Drehbuch zu "Sleuth" verfasst hat, reicht bis in Ihre Jugendtage zurück, oder?

Ja. Er war Mitte der Fünfzigerjahre auch Schauspieler, nannte sich damals David Baron, und er hatte zwei Einakter namens "The Room" und "The Dumb Waiter" geschrieben. Die brachten wir 1960 am Londoner Royal Court Theatre auf die Bühne. Seit damals sind wir Freunde, aber seither hatte ich nie mehr die Gelegenheit, in Pinters Stücken aufzutreten. Harold ist der Grund, warum ich "Sleuth" machen wollte.

Haben Sie nie am Sinn dieses Remakes gezweifelt?

Nein. Als Jude Law mir die Rolle bei einem Abendessen anbot, war ich erst noch skeptisch, aber schon als er anfügte, dass Pinter das Drehbuch geschrieben hatte, war für mich alles klar. Jude wusste, dass Pinter den Film von 1972 nie gesehen hatte. Er kannte nur Shaffers Drama, das er radikal umschrieb. Ich selbst habe den alten "Sleuth" seit 30 Jahren nicht mehr gesehen. Es gab in unserer Version also keinerlei Verweise auf das Original, es war daher kein Remake, sondern etwas völlig anderes. Die Figur, die ich spiele, ist so weit weg von dem, was Larry Olivier damals gespielt hat.

Erkennen Sie sich ein wenig auch in Jude Law wieder, der ja nun Ihren Part von damals spielt?

Klar, und ich sagte zu Jude, dass er, wenn er mein Alter erreicht haben wird, im Re-Remake von "Sleuth" meinen Part spielen könne. Allerdings müsse er sich dabei eines vergegenwärtigen: Der Typ, gegen den er dann anzutreten haben wird, ist noch gar nicht geboren.

Was haben Sie noch vor? Filme produzieren? Selbst inszenieren?

Keinerlei Ambitionen. Ich bin absolut glücklich damit, Schauspieler zu sein - und das werde ich tun, bis mich das Filmgeschäft in die Rente schickt.

Aber Sie beschäftigen sich mit ein paar faszinierenden anderen Dingen: Sie haben eben eine CD mit Loungemusik veröffentlicht - und nebenbei Restaurants betrieben...

...aber nicht mehr! Die habe ich alle verkauft. Das war mir am Ende zu heiß: Köche sind aufbrausender als Filmstars. Das sind Diven! Manchmal hat sich das angefühlt, als müsse man ein Restaurant mit Gloria Swanson eröffnen!

So schlimm?

Mein Gott! Es war die Hölle!

INTERVIEW: STEFAN GRISSEMANN

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