Schauspieler Reiner Schöne: Crashkurs in Sachen Freedom

Erst Defa-Schauspieler und Liedermacher, später bad guy in US-Kultserien und am Samstag in "Snowman's Land" auf Arte: Der lange Weg des Reiner Schöne.

Jauchen-Berger auf der Jagd: Schöne in "Snowman's Land". Bild: WDR/Icon Film

Ein Jeep prescht durch eine gottverlassene Schneelandschaft. Im Auto sitzt ein Mann, der sich rächen will. Seine Frau ist tot, umgebracht von einem seiner Leibwächter. Das weiß der alternde Gangsterboss allerdings nicht, also soll die eigensinnige Landbevölkerung dran glauben. Der hünenhafte Pate heißt Berger, "Jauche-Berger". Einen seiner Widersacher ließ er einst in dem Düngemittel ersaufen. So geht zumindest die Legende, die der Film "Snowman's Land" (Regie: Tomasz Thomson) erzählt.

Arte zeigt die rabenschwarze Komödie am Samstag um 22.00 Uhr. Die Indieproduktion, an der auch der SWR beteiligt war – gedreht wurde im winterlichen Schwarzwald – ist ein äußerst gelungener, abgedrehter Mix aus "Shining", "Doktor Schiwago", derben Humor und Reiner Schöne. Der Film von 2010 ist nicht nur ein feines Stück deutsches Genrekino, sondern auch ein wunderbares Alterswerk des 69-Jährigen.

Hinter der markant-rauchigen deutschen Stimme von Willem Dafoe und Mickey Rourke steckt nicht nur eine lange internationale Schauspielkarriere, sondern eine ebenso bemerkenswerte Biografie: Reiner Schöne wächst nach dem Krieg in Weimar auf und geht nach dem Abitur erst als Bühnenarbeiter, dann als Schauspieler ans Deutsche Nationaltheater. Bald entdeckt ihn die Defa. Mit 1,94 Metern, stahlblauen Augen und einer prägnanten Stimmfarbe ist Schöne ein Musterbeispiel an darstellerischer Präsenz.

Schöne gets the Blues

Musik macht er währenddessen auch. Als Liedermacher tourt er mit Protestsongs und Klampfe ebenso erfolgreich durch die sozialistische Republik. Eigentlich läuft alles prima, doch Schöne kriegt immer wieder den "Blues". Er will raus, nach Amerika, zum Broadway.

Wenn er heute darüber spricht, bebt sein kantige Körper. "Zusammen mit einem befreundeten Dramaturgen habe ich beschlossen eine Weltreise zu machen," erzählt Schöne. "Alle haben gesagt, nette Idee, wie wollt ihr denn hier rauskommen? Für uns war der Wunsch entscheidend. Wir hatten vor, um die Welt zu reisen und den Behörden einen Brief zu schreiben: Entschuldigung, wir sind abgehauen, aber wir kommen in zwei Jahren wieder. Die Naivität hatten wir damals."

Doch der wankelmütige Kollege überzeugt Reiner Schöne noch vom Gegenteil. Nach dem Vagabundentum sei man wohl "für das bürgerliche Leben verloren". Vernünftiger Aspekt, denkt sich der Schauspieler, doch die Sehnsucht bleibt. 1968 ist es dann so weit, Schöne setzt sich nach einem Gastspiel in West-Berlin, dem dritten im Westen in kurzer Zeit, ab. Er will gleich weiter. Sein Weg führt ihn zur amerikanischen Botschaft in der Clayallee.

Allerdings wird ihm da "der Zahn schnell gezogen", als Schauspieler sähe es mit der amerikanischen Staatsbürgerschaft nicht so rosig aus. Er könne als Landarbeiter anfangen. Es wird vorerst nichts mit dem Broadway. Aber Schöne hat Gesangsaufnahmen im Gepäck. "Die habe ich mir nachts von der Freundin eines hohen Parteisekretärs kopieren lassen. Der weiß das bis heute nicht." Schöne lacht herzlich, während er die Geschichte erzählt.

Von Eastwood bis MacGyver

Im Musical "Hair" spielt er noch im gleichen Jahr einen netteren Berger als den Gangsterboss aus "Snowman's Land". Die Hauptrolle des George Berger ist ein elementarer Schritt für die weitere Karriere. "Das war mein Crashkurs in Sachen Freedom", sagt er heute. Schöne dreht mit Lee van Cleef, Clint Eastwood und George Kennedy.

1985 zieht er nach Los Angeles. Wenig später öffnet die internationale Koproduktion "Return to Treasure Island", eine Disney-Miniserie, endgültig die Tür ins amerikanische Film- und Fernsehgeschäft. "Kein amerikanischer Agent will Demomaterial mit Subtitles sehen und da hatte ich endlich eine Hauptrolle in lupenreinem amerikanischen Englisch." Ab da wird Schöne gefragter Seriendarsteller. In fast allen Kultserien der 90er hinterlässt er seine Karte: Ob "Amerika", "MacGyver" (der gebürtige Thüringer spielt in einer Folge einen ziemlich üblen Ex-Stasiagenten) oder "Matlock" bis hin zu "Mord ist ihr Hobby".

Schöne lernt den Bösewicht zu spielen: "Die Amis lieben bad guys und der Knackpunkt ist, die können sie auch schreiben." Später folgen Rollen in "Babylon 5", "Sliders" und "JAG". Vorher wird ihm etwas gelingen, das noch kein Deutscher geschafft hat: Er wird Teil des Star-Trek-Universums in der Reihe "The Next Generation" (1990). Allerdings ist Schöne als Außerirdischer dank amorpher Gesichtsmaske kaum zu erkennen.

2002 geht es aus privaten Gründen zurück nach Berlin. Mit Bully dreht Schöne 2004 "(T)Raumschiff Surprise – Periode 1". Seitdem schreibt er Bücher, spricht Hörbücher ein und tourt mit Band wieder als Sänger durchs Land, mit "Mitten ins Herz" ist für Jahresende das achte Album in Planung.

Auch wenn Schöne die ganz großen Rollen verwehrt geblieben sind, hat er seine Kunst prägnant perfektioniert. Er hat seine Weltreise gemacht – länger als erwartet – und sein Vagabundentum dauert an. "Du musst nur lange genug leben, dann wird man eine Legende", hat Reiner Schöne mal in einem Interview gesagt.

"Snowman's Land", Samstag, 8. Oktober, 22.00 Uhr, Arte

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