Schauspieler Charly Hübner: Viele Wege führen zum Ruhm
Hochkultur und "Ladykracher" – die Bandbreite des Schauspielers Charly Hübner ist enorm: "Über den Tod hinaus (20.15 Uhr) und "Im Schwitzkasten" (0.20 Uhr, beide Montag im ZDF).
Charly Hübner möchte draußen sitzen. Unbedingt. Draußen. Im Oktober. Mit Parka und Kapuzenpulli ist er bestens gerüstet für den eisigen Wind, der vom Mauerpark herüberpeitscht. Bei einer besonders heftigen Böe huscht ein zufriedenes Lächeln über Hübners jungenhaftes Gesicht. "Also ich finds gerade super", sagt er - und würde es angesichts des gequälten Gesichtsausdrucks seines Gegenübers nicht fast entschuldigend klingen, könnte man ihn tatsächlich für jemanden halten, der gern mal den harten Kerl markiert.
Nichts läge Charly Hübner ferner. Dafür muss man ihm nur einmal bei der Arbeit zugeschaut haben - etwa in Andreas Senns ZDF-Krimidrama "Über den Tod hinaus". Testosteronbomber sind nicht sein Ding. Er sieht nur aus wie einer: 1,92 Meter groß, kräftig, ein Mann wie ein Bär - der schon viele arme Würstchen verkörpert hat. "Deswegen war ich froh, in ,Über den Tod hinaus' endlich mal einen ganz normalen Familienvater zu spielen und nicht schon wieder den Dödel, der keinen Schlag bei Frauen hat, oder den Rocker." Harald heißt seine Figur, ist Busfahrer und schläft in einem von seinen Kindern bemalten "Papi"-T-Shirt. Als Haralds Schwägerin sich aus Verzweiflung über 150.000 Euro Schulden das Leben nimmt, gehen diese auf seine Familie über - "Da kann ich ja Bus fahren, bis ich schwarz werde", sagt Harald überfordert. Ohne zu viel zu verraten: Er behält bis zum Ende des mit unwahrscheinlichen Drehbuchzufällen überladenen Films seine natürliche Hautfarbe.
Charly Hübner arbeitet so viel, als hätte er selbst 150.000 Euro Schulden. Seit er 2003 des Theaters müde wurde, war er in mehr als 70 Film- und Fernsehproduktionen zu sehen. Ab 2010 wird die Rolle des neuen Rostocker "Polizeiruf 110"-Ermittlers dem Wahl-Hamburger regelmäßige Bildschirmpräsenz sichern.
Dass der Übergang so leicht gelang, verdankt der heute 36-Jährige einem Werbespot für die Dresdner Bank, der ihn über den dreharmen Winter bringen sollte: Der Satz "Das ist nicht normal für eine Bank" habe ihm "eine unheimliche Prominenz als Gesicht verschafft", sagt Hübner.
Eine Herzensangelegenheit war für den gebürtigen Mecklenburger, der in und um seine Feldberger Heimat als "Local Hero" verehrt wird, dagegen seine Rolle in "Das Leben der Anderen", die, obwohl Hübner als Stasiagent nur zwei Drehtage hatte, einen weiteren Popularitätsschub brachte. Und ihn mit der IM-Vergangenheit seines Vaters konfrontierte, der sich ihm erst durch den Film offenbarte: "Auf der Rückfahrt von einer Promoveranstaltung sagte mein Vater unvermittelt: ,Mein lieber Sohn, so eine Kamera wie in dem Film hatten wir damals nicht." Und ich so: ,Wir?'" Hübner, der als Pubertätspunk in seinem linientreuen Elternhaus aneckte, ist heilfroh, dass "pünktlich zur Vollendung meines 17. Lebensjahrs" die Mauer gefallen ist, "sonst wäre die Partei Thema geworden, eine Offizierslaufbahn in der NVA - und die Stasi wäre wohl auch angekommen."
Mittlerweile spielt Hübner, der nach dem Abi durch einen Freund zur Schauspielerei kam, auch wieder Theater, unter anderem unter dem kürzlich verstorbenen Jürgen Gosch ("das Größte, was ich bislang an Spielleitung erleben durfte") und ist Sketchpartner von Anke Engelke in "Ladykracher" - die Chance, ein solch breites Spektrum zu bedienen, bekommen nur wenige. "Dass ich mittlerweile manchmal von Kollegen höre, ich müsse mich doch langsam mal entscheiden, macht mir keinen Druck", sagt Hübner, der aus Mitleid mit seinem Gesprächspartner nach drinnen umgezogen ist. "Solange ich so vielseitig weiterarbeiten kann wie im Moment, werde ich es tun."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern