Schaulaufen der Sozialisten Frankreichs: Unter dem lästigen Schatten von DSK
Dominique Strausss-Kahn, der Exfavorit der Sozialisten um die Präsidentschaftskandidatur, könnte mit neuen Skandalen den Anwärtern Aubry und Hollande die Suppe versalzen.
LA ROCHELLE taz | Am Rednerpult kommt der Sozialist François Hollande ins Schwitzen. Es ist nicht leicht, einer Favoritenrolle gerecht zu werden. Der frühere Parteichef hat kein natürliches Charisma, er hat Kurse belegt, sich auf Rat seiner neuen Lebensgefährtin, einer Journalistin, einen jugendlicheren Look mit einer modischen Brille zugelegt und viele Kilos abgespeckt. Doch den autoritären Tonfall in seiner Kritik an der Politik der Rechtsregierung nimmt man ihm nicht so recht ab. Erst als der für seine Jovialität bekannte Politiker aus der ländlichen Corrèze zu seiner Geheimwaffe, der Ironie, greift, packt er sein Publikum: "Die Reichen betteln darum, mehr Steuern zu bezahlen, aber Sarkozy will nicht? Geduld, wir kommen!" Das Publikum jubelt und fordert "Hollande, Président".
Das diesjährige Sommertreffen der französischen Sozialisten hat die heiße Phase des Präsidentschaftswahlkampfs eingeläutet. Geschenke macht auch der sonst so umgängliche Hollande nicht - weder dem amtiereden Staatschef Nicolas Sarkozy noch den fünf GenossInnen, die ihm bei den Vorwahlen Mitte Oktober die Nominierung als Kandidat der Linken streitig machen.
Zwar liegt Hollande bei dieser Kandidatenkür klar vorn. Spätestens der sehr kämpferische und sehr beklatschte Auftritt von Martine Aubry, die für die interne Kür zeitweilig den Parteivorsitz abgegeben hat, machte deutlich, dass dieses Rennen noch nicht gelaufen ist.
So gemütlich die Atmosphäre in der sommerlichen Hafenstadt La Rochelle an der französischen Atlantikküste auch dieses Jahr wirkte, die Spannung zwischen den insgesamt sechs Konkurrenten war sicht- und hörbar. Aubry hatte gleich am Freitag den Auftakt gegeben und gesagt, als sie 2008 (von Hollande!) die Führung der Partei übernommen habe, sei diese in einem "erbärmlichen Zustand" gewesen. Man habe sich gefragt, ob "die Sozialisten noch Lust hätten, Politik zu machen".
"Tous ensemble, Socialistes!"
Die Aussicht auf einen möglichen Wahlsieg beflügelt heute dieselben Genossen und schürt auch die Ambitionen. Mehrfach unterbrachen die Jungsozialisten die Redner mit ihrem beschwörenden Slogan: "Tous ensemble, tous ensemble, Socialistes!" (Alle gemeinsam, Sozialisten!). Hollande drückte Aubry, von der ihr Vater Jacques Delors versichert, sie sei doch "die Beste", vor dem gerührten Publikum einen kollegialen Kuss auf die Wange. Sonst aber gingen die sechs Rivalen sich möglichst aus dem Weg. Nur zum Abschluss posierten sie Seite an Seite fürs Gruppenbild.
Einer allerdings fehlte darauf: der frühere IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn (DSK). Dafür fiel etwas anderes auf: In Hollandes Publikum befand sich eine elegante Dame, Anne Mansouret. Die in der Nähe von La Rochelle wohnende sozialistische Regionalpolitikerin ist die Mutter von Tristane Banon, die gegen Strauss-Kahn eine Klage wegen eines angeblichen Vergewaltigungsversuchs eingereicht hat.
Mansouret hat noch jüngst in der Presse verlangt, dass Strauss-Kahn (dessen Geliebte sie einmal gewesen ist) in Frankreich zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Ihre Gegenwart ruft den Sozialisten in Erinnerung, dass diese "Affäre DSK" nicht einfach verdrängt werden kann.
Der einstige Favorit aller Wählerumfragen sei für die Linke wie ein lästiger Klebestreifen geworden, den man nicht los wird, meinte dazu Le Figaro. Nur wenige unter Strauss-Kahns Freunden, wie Jean-Marie Le Guen, wollen im kleinen Kreis über DSK reden. Der Pariser Abgeordnete zweifelt nicht an dessen Rehabilitierung und Comeback - in ferner Zukunft. Die Bewerber um die Nominierung für 2012, die von Strauss-Kahns unfreiwilligen Skandal profitieren, hoffen nur, dass dieser ihnen nicht in den kommenden Wochen weiterhin mit einem neuen Skandal die Show stiehlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!