piwik no script img

Schatten-Kommunikation mit der Klangwand

■ Die Nagoya-Klangwand ertönte im Himmelssaal unter den Bewegungen des Klangkünstlers Peter Vogel. Nachahmung erwünscht

Ein Mann betritt die Bühne, verneigt sich kurz, dreht dem Publikum den Rücken zu, und schaut auf eine weiße Wand, auf der ein laggestrecktes Drahtgestell montiert ist, dessen Aufbau und Vernetzung entfernt an eine Partitur erinnert. Der Mann hebt beide Arme — ein kurzer Moment der Sammlung — und beginnt dann ein konzentriertes, gezieltes Schattenspiel mit variationsreichen Handbewegungen. Die „Partitur“ antwortet mit elektronischen Klängen, zunächst vereinzelten Tönen, dann immer dynamischer mit sich einander überlagernden Rhythmen. Minimal-Music erfüllt den Saal.

Der Dirgent dieses merkwürdigen Konzertes, das letzten Freitag im Himmelssaal in der Böttcherstraße stattfand, heißt Peter Vogel. Er ist auch der Konstrukteur der „Nagoya-Klangwand“, die ihrem Namen dem ersten Aufführungsort in Japan (1991) verdankt. Eigentlich ist sie nicht für Solo-Auftritte konzipiert, sondern für interaktive Prozesse zwischen Betrachtern und dem Kunstwerk.

15 lichtempfindliche Sensoren, strecken sich wie Fühler einer starken Lichtquelle im Hintergrund der Installation entgegen. Über diese kann man mit der Klangwand in Kontakt treten. Je nachdem, ob man die Fühler nur kurz abschattet, oder rhythmisch oder dauerhaft, antwortet die Elektronik: sie variiert Tonhöhe,-folge oder -dauer. Zusammen mit der stetigen Verschiebung der Klangsequenzen zueinander, die durch eine leichte Tempodifferenz der vier Taktgeber bewirkt wird, ergibt sich eine unerschöpfliche Variationsvielfalt. Die Klangwand ist somit halb Komposition, halb Instrument, wobei auch der Zufall seine Hände im Spiel hat.

Peter Vogel geht es an erster Stelle um das interaktive Moment der Installation, um die Möglichkeit der BetrachterInnen mit der Maschine zu kommunizieren oder über sie mit anderen Akteuren. Die optische Erscheinung will er rein funktional aufgefaßt wissen, doch sie besitzt — vor allem bei den kleineren Klangskulpturen aus seiner Hand — ein Moment, das Nicoletta Torcelli im letztjährigen Katalog (Basel) treffend als „archaische Metapher des Industriellen“ bezeichnet hat.

Und die Musik? Sehr hamonisch, auf die Dauer gleichförmig. Es bedarf sparsamer, gekonnter Eingriffe, um klanglich befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Peter Vogel, der Könner, führt das meisterhaft vor. Wer sich selbst an der Klangwand als DirigentIn und KomponistIn ausprobieren will, kann das bis zum 28. Mai tun. Jann Brouer

Himmelssaal im Scandic Crown Hotel, Böttcherstraße 2, Voranmeldung

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen