Schariakonforme Geldgeschäfte: Briten setzen auf Islamic Banking
Der Markt für Geldinstrumente nach den Regeln des Islam boomt wie noch nie. Nun wollen auch britische Banken und Politiker davon profitieren.
BERLIN taz | Die Argumente sind für jeden Politiker überzeugend: Im kommenden Jahr dürften Schätzungen zufolge weltweit Finanzinvestitionen in Höhe von 1,5 Billionen Euro nach islamischen Regeln vorgenommen werden. „Wenn das islamische Finanzwesen um 50 Prozent schneller wächst als das traditionelle Bankgeschäft, dann wollen wir sicherstellen, dass ein beträchtlicher Anteil dieser Investitionen hier in Großbritannien getätigt wird“, erklärte der britische Premierminister David Cameron die Pläne seiner Regierung vergangene Woche auf dem World Islamic Economic Forum in London.
Dieses Forum, eine Art islamische Version des Davoser Weltwirtschaftsforums, wurde in diesem Jahr zum ersten Mal in einem nicht mehrheitlich islamischen Land abgehalten – was schon einen Hinweis auf die Bedeutung Londons als Finanzzentrum für islamkonforme Anlagen gibt. Künftig will die britische Regierung an diesem boomenden Markt teilhaben. Sie plant, eine islamische Staatsanleihe herauszugeben und damit umgerechnet rund 235 Millionen Euro einzunehmen.
Dem Koran zufolge dürfen Zinsen weder erhoben noch eingestrichen werden. Damit sind praktisch alle gängigen Kredite, Hypotheken, Sparbücher oder Anleihen ausgeschlossen. Doch auch wenn man Zinsen vermeiden will, muss man nicht auf Geldgeschäfte verzichten. Zulässig sind nämlich Geschäfte mit realen Waren und Gewinnbeteiligungen – und genau darauf bauen viele islamische Finanzprodukte auf.
Schon 1975 wurde in Dubai die erste Bank gegründet, die ausschließlich nach den Regeln der Scharia arbeitet. Statt einen Kundenkredit zu vergeben und dafür Zinsen zu verlangen, kauft sie beispielsweise direkt das gewünschte Auto für ihren Kunden. Der muss den Kaufpreis plus eine Gebühr jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt begleichen. Oder die Bank wird Teilhaberin eines Immobilienkäufers, der der Bank anstelle von Hypothekenzinsen für ihren Hausanteil Miete zahlt.
Sachsen-Anhalt gab schon 2004 eine islamische Anleihe heraus
1996 legte die britische Flemings-Bank als erste westliche Finanzinstitution auch einen Aktienfonds auf, der das islamische Recht befolgt. Zwar verbietet die Scharia Aktien nicht, denn sie ermöglichen nur eine Gewinnbeteiligung, werfen aber keine Zinsen ab. Es gilt jedoch zu verhindern, dass der Fonds Anteilsscheine von Firmen erwirbt, die ihrerseits mit Zinsen (oder auch mit Alkohol) ihr Geld verdienen.
Inzwischen haben in Großbritannien rund 50 Banken islamische Finanzprodukte im Angebot. An der Londoner Börse werden zahlreiche islamische Investmentfonds und unverzinste Anleihen gehandelt. Selbst der futuristische Londoner Wolkenkratzer „The Shard“ wurde mit islamkonformen Instrumenten finanziert, gehört er doch zur Hälfte dem Emirat Katar.
Noch machen islamische Bankgeschäfte nur schätzungsweise 1 Prozent des gesamten Markts aus, doch der Trend geht steil nach oben. Seit Ausbruch der Finanzkrise haben sich zum Beispiel die Neuemissionen islamischer Anleihen, Sukuk genannt, versechsfacht, von umgerechnet 15 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf mehr als 100 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Um das Zinsverbot zu umgehen, basieren die Anleihen auf physischen Werten – die geplante britische Staatsanleihe etwa auf staatlichem Immobilienbesitz.
Die britische Regierung nimmt damit allerdings keineswegs eine Vorreiterrolle in Europa ein. Sachsen-Anhalt gab schon 2004 eine islamische Anleihe heraus. Das Land übertrug dabei landeseigene Immobilien an eine niederländische Stiftung und erhielt dafür eine einmalige Zahlung. Anschließend überwies es der Stiftung Miete für die Nutzung der Immobilien und kaufte diese am Ende der fünfjährigen Laufzeit wieder zurück.
Bis heute ist in Deutschland noch keine rein islamische Bank zugelassen. Allerdings hat die Kuveyt Türk Bank in Mannheim inzwischen bei der Bankenaufsicht Bafin eine Vollbanklizenz beantragt.
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