Schalke nach Magath-Abgang: "Dieser Verein braucht Wärme"
Der FC Schalke 04 ächzt noch immer unter der Erblast von Felix Magath. Dessen Nachfolger Ralf Rangnick hat alle Hände voll zu tun, die Königsblauen auf Erfolg zu trimmen.
GELSENKIRCHEN taz | Auf Schalke gibt es einen beliebten Song: "Wir sind Schalker, keiner mag uns, scheißegal", heißt es im Text, das Image des Außenseiters mit fataler Neigung zur dramatischen Niederlage gehört zum Selbstbild des Revierklubs. Aus der Position des wenig geliebten Underdogs heraus haben die Gelsenkirchener ihre größten Erfolge eingespielt. Manager Horst Heldt weiß das natürlich.
"Nach Platz 14 vergangene Saison können wir jetzt nicht sagen, dass wir Zweiter, Dritter oder Vierter werden, es kann sein, dass wir nur Achter der Liga werden", sagt er nun, und diese Aussage passt zum Schalker Wesen, auf das man sich nach der wilden Zeit unter Felix Magath zurückbesinnt. Obwohl der DFB-Pokalsieger in den vergangenen Monaten - auch durch den Transfer von Manuel Neuer zum FC Bayern - höhere Einnahmen hatte als alle anderen Bundesligisten, muss der Klub sparen und schrumpfen, um irgendwann neu aufzublühen.
Wie eng das Budget in Gelsenkirchen wirklich ist, wurde den Verantwortlichen offenbar erst vor Kurzem richtig klar. Vor zwei Wochen haben Finanzchef Peter Peters, Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, Manager Horst Heldt Trainer Ralf Rangnick in einem ausführlichen Gespräch mitgeteilt, dass nur noch gut 10 Millionen Euro für neue Spieler zur Verfügung stehen. "Vor einigen Wochen bin ich davon ausgegangen, dass wir die 25 Millionen Euro Ablöse für Manuel Neuer wieder investieren können", hatte Rangnick anschließend der Bild-Zeitung gesagt, doch das Geld ist weg.
Magath hat für eine Vielzahl seiner Transfers Ratenzahlungen vereinbart, das Stadiondach musste repariert werden, all das belastet den Etat. Vor allem jedoch ist der Kader immer noch dicht besetzt mit teuren Spielern, die nicht so einfach herunterzubekommen sind von der Gehaltsliste. "Was wir gemacht haben, war ja bisher eher ein Verkleinern des Kaders", sagt Rangnick deshalb, doch mit Annan, Baumjohann, Huntelaar, Edu, Escudero oder Jurado gibt es immer noch eine ganze Reihe Magath-Spieler, die die Schalker bei entsprechenden Angeboten gerne abgeben würden.
Geistiges Miteinander
Im Prinzip sind Heldt und Rangnick immer noch damit beschäftigt, die wirre Hinterlassenschaft Magaths zu sortieren - eine Aufgabe, die alle unterschätzt haben. Schließlich hatte die neue Ära so gut begonnen. Sportlich hat Rangnick mit dem Pokalsieg und dem Champions-League-Halbfinal-Einzug beachtliche Erfolge gehabt, nun sind sie dabei, auch ideologisch ein neues Schalke zu modellieren.
"Dieser Verein braucht Wärme und Identifikation", hat Heldt bald nach der Entlassung Magaths erklärt. Unter dem eiskalten Regiment des Alleinherrschers, den Rangnick nur "mein Vorgänger" nennt, war ein Verein entstanden, der vielen Schalkern fremd geworden war. Nun betont der neue Trainer, dass die Mannschaft "vom Geist und von der Stimmung her wirklich gut mitmacht". Wenn schon keine Stars verpflichtet werden können, dann muss es eben der Mannschaftsgeist richten. Außerdem soll das statische Spiel der Magath-Ära durch einen strategisch ausgeklügelten Überfallfußball ersetzt werden.
"Wie wir trainieren, ist für viele hier neu", erzählt Rangnick, es gibt eine neue Kultur des Dialogs. Beim Training wird viel gesprochen, ständig werden Spielformen unterbrochen, Schalke lernt den Fußball neu. Und die Profis müssen sich nicht mehr fühlen wie lebloses Spielermaterial, das kühl zwischen Bank, Tribüne, Transfermarkt und erster Elf hin- und herbewegt wird.
Last und Ligapokal
Wie schnell der Prozess des Umbruchs eine konkurrenzfähige Mannschaft hervorbringt, weiß allerdings niemand, und diese Unsicherheit ist den Schalkern anzumerken. Sie findet ihren Ausdruck in Heldts pessimistischem Saisonausblick. Insgeheim hoffen sie natürlich auf mehr als Platz acht, doch bisher wurden mit Linksverteidiger Christian Fuchs von Mainz 05, Perspektivspieler Marco Höger (Alemannia Aachen), und Torhüter Ralf Fährmann (Eintracht Frankfurt) eher Spieler verpflichtet, die den Kader in der Breite verstärken. Schalke sei eben ein mittelfristiges Projekt, sagen Trainer und Manager, das ist der neueste Euphemismus für den Zwang zur Sparsamkeit.
Die Dortmunder, die vor einigen Jahren in einer ähnlichen Situation feststeckten, sind da erheblich weiter, und deshalb blicken viele Schalker mit Bauchgrummeln auf das Supercup-Spiel gegen den Erzfeind am Samstag. Die Gefahr ist groß, dass die neue Saison beginnt, wie die alte endete: mit schwarz-gelber Siegerehrung, Konfettiregen und Jubelparty. Und das im Schalker Wohnzimmer. Ein schlechterer Saisonstart ist nicht vorstellbar.
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