Schalke gegen Hannover: Im Schatten von Enkes Tod
Mit dem Auswärtsspiel bei Schalke 04 wollte Hannover die aktive Vergangenheitsbewältigung nach dem Selbstmord von Robert Enke beginnen. Es zeigte sich, dass sie noch Zeit brauchen wird.
GELSENKIRCHEN taz | Auf den ersten Blick wirkte die Titelseite des Schalker Kreisel ziemlich einfallslos. Auf der Vereinszeitung war eine Großaufnahme zu sehen, ein Fußball, der auf dem Rasen liegt. Hinweise auf den Inhalt des Heftes fehlten, das Foto sollte für sich sprechen, eine wortlose Artikulation des Wunsches, der viele Fußballanhänger an diesem Wochenende bewegte: Der Wunsch nach der Rückkehr zum Spiel, zum Ball, zum Wesentlichen dieses Sports.
Natürlich war allen klar, dass sich dieser Wunsch nur in Ansätzen erfüllen würde, schließlich war Hannover 96 zu Gast, der Klub von Robert Enke, der sich vor zwei Wochen das Leben genommen hatte. Vor dem Spiel wurde - wie in allen Bundesligastadien - getrauert, und doch wurde der 2 : 0-Sieg der Schalker von allen Anwesenden als Schritt zurück in die Normalität empfunden.
"Das war eine sehr gute Ablenkung, auch um uns abzureagieren", sagte Hannovers Kapitän Arnold Bruggink, der in einem Fernsehinterview von seinen Gefühlen überwältigt wurde und in Tränen ausbrach. "Danach kommt es dann doch hoch", meinte er, "es gibt so viele Dinge, die neu sind, weil Robert nicht mehr da ist."
Auch in der kommenden Woche werden solche Erinnerungen aufkommen, Hannover spielt dann erstmals im heimischen Stadion, doch "danach kehrt dann hoffentlich Alltag ein", sagte Florian Fromlowitz. Der 23-Jährige hat den Posten des Stammtorhüters von Enke geerbt und "eine bärenstarke Leistung" gezeigt, wie nicht nur Trainer Andreas Bergmann fand. Fromlowitz hielt 96 mit Paraden gegen Moritz und Kuranyi im Spiel.
Überhaupt schienen die Niedersachsen lange besser klarzukommen mit der merkwürdigen Atmosphäre, die diese Partie umhüllte. In der ersten Hälfte blieb die Stimmung gedämpft, den Aktionen im Spiel fehlte die letzte Überzeugungskraft. Heiko Westermann sprach später von einem "mulmigen Gefühl", das die erste Hälfte geprägt habe. Hannover spielte besser, und Felix Magath tobte wütend vor der Schalker Trainerbank umher.
Dass sie mit einem 0 : 0 in die Pause gingen, hatten sie auch Jirí Stajner zu verdanken: Der Tscheche kam in der 37. Minute nach einem Fußkontakt mit Matip im Strafraum ins Straucheln, spielte aber fairerweise weiter, statt sich fallen zu lassen.
Kurz nach der Pause nahm Magath den schwachen Lewis Holtby vom Platz, Ivan Rakitic kam ins Spiel, und die Schalker wurden erheblich lebendiger. Die Achse der Namenlosen mit Joel Matip (18), Lukas Schmitz (21), und dem großartig aufspielenden Christoph Moritz (19) kombinierte immer öfter gekonnt durchs Mittelfeld, Jefferson Farfans befreiendes 1 : 0 (70.) war das verdiente Resultat dieser Leistungssteigerung.
Magath scheint über irgendeine Zauberkraft zu verfügen, mit deren Hilfe er Fußballer, die keiner kennt, in veritable Stützen eines Spitzenklubs verwandelt. Die kleine Schlusspointe des Schalker Jugendspielermärchens: In der Nachspielzeit wurde der 20-jährige Jan Morávek eingewechselt und erzielte mit seiner ersten Ballberührung das 2 : 0.
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