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Schalck läßt ein „Wandlitz“ im Westen für 100 kränkliche Personen bauen

In Bad Gandersheim/BRD sucht Michael Schalck einen Platz in landschaftlich schöner Lage für einen Wohnkomplex von rund 40 Wohnhäusern / Großzügige Finanzierungen über Schweizer Bankinstitute  ■ DOKUMENTATION

Berlin (taz) - An den Bürgermeister der Stadt Bad Gandersheim, Markt 10, 3353 Bad Gandersheim

München, den 30. März 1990

Betr. Seniorenwohn-Projekt

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, ich darf kurz Ihre Aufmerksamkeit für eine ebenso lukrative, interessante - und delikate - Angelegnheit in Anspruch nehmen?

Ich bin seit etlichen Jahren als Finanzmakler in der Bundesrepublik und der Schweiz - ich darf sagen: sehr erfolgreich - tätig. Aufgrund dieser Reputation und enger verwandschaftlicher Beziehungen in der DDR bin ich beauftragt worden, die Möglichkeiten eines standesgemäßen Altersruhesitzes für wohlhabende, aufgrund der politischen Entwicklungen in den Ruhestand gewechselte, prominente Persönlichkeiten der DDR auszuloten.

Geplant ist, eine in sich abgeschlossene Siedlung für die etwa 100, durchweg älteren, teilweise kränklichen Personen und ihre Ehepartner bzw. Lebensgefährten in klimatisch und landschaftlich schöner Lage zu errichten. Die Planung sieht einen Komplex von etwa 40 Wohnhäusern verschiedener Größe und ein optimal eingerichtetes Zentrum mit Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Versorgungseinrichtungen, Sportanlagen (Gymnastikhalle, Schwimmbad, Sauna etc.) und Kultur-Einrichtungen (Kino, Gastronomie etc.) vor.

Finanziert würde dieses Zentrum aus einem sehr großzügig dotierten Sonderfonds, der bei Schweizer Bankinstituten deponiert ist. Referenzen können selbstverständlich beigebracht werden. Der Bau und Unterhalt der Anlage, die Folgekosten und selbstverständlich auch die Lohnkosten für das Betreuungspersonal können so auf Jahre hinaus garantiert werden. - Ein, wie ich glaube, äußerst interessantes Projekt, das Ihrer Gemeinde ansehnliche Einnahmen (hohes Einkommen des Personenkreises!) verspricht, etliche hochqualifizierte Arbeitsplätze schafft und Ihre Gemeinde in mehrfacher Hinsicht aufwerten wird.

Es gibt zwei Gründe, warum ich mich mit diesem Anliegen gerade an Sie wende. Zum einen gehe ich davon aus, daß ihre Gemeinde als Kurort das nötige Know-How, die nötigen Anlagen und geeignetes Fachpersonal (Ärzte und Pflegepersonal) für solch ein Projekt zur Verfügung stellen kann. Und zum zweiten hoffe ich, daß Sie mir eventuell auch bei dem Problem einer zwischenzeitlichen Unterbringung des in Frage stehenden Personenkreises helfen können. Dafür kämen vorzugsweise nicht voll ausgelastete Sanatorien oder ähnliche Unterbringungsmöglichkeiten in Betracht.

Das Hauptproblem beim erwähnten Projekt ist unser Interesse an einer möglichst raschen Abwicklung. Wie sich die Dinge in der DDR entwickelt haben, hat ein schnellstmöglicher Baubeginn für uns oberste Priorität. Die Kostenfrage ist deshalb absolut zweitrangig.

Daher kann ich Ihnen abschließend ein außergewöhnliches Angebot machen: Die neu zu erbauende Senioren-Kolonie wird in Anbetracht des Alters des unterzubringenden Personenkreises nur für eine absehbare Zeit (etwa 15 bis 20 Jahre) benötigt werden. Vorgesehen ist, daß die Siedlung nach dieser Zeit zum Dank für die gewährte Gastfreundschaft kostenfrei (und folgekostenfrei!) in den Besitz der betreffenden Gemeinde übergeht. - Vorbedingung ist jedoch die möglichst rasche Zuweisung eines möglichen Bauplatzes und die umgehende Erschließung dieses Areals.

Ich hoffe, daß Sie mir bei der Verwirklichung dieses Projektes helfen können. Ich darf Sie deshalb, da die Zeit drängt, in den nächsten Tagen diesbezüglich telefonisch kontaktieren? Vielleicht kann dann spontan ein Gesprächs-, eventuell sogar schon ein Besichtigungstermin vereinbart werden.

Im voraus Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Schalck

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