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Schalck empfiehlt Honecker die Justiz

■ In Bonn wird das Haus für den 79jährigen bestellt/ Rückkehr in den nächsten Tagen?/ Chile quält sich

Bonn/Moskau (afp/ap/dpa) — Für Erich Honecker stehen die Zeichen auf Sturm: Die Anzeichen mehren sich, daß er schon in dieser Woche die chilenische Botschaft in Moskau verlassen muß. Nach den Aussagen des russischen Verteidigungsministers Nikolai Fjodorow wird er dann sofort in die Bundesrepublik überführt. Auch in Bonn wächst die Alarmbereitschaft: Justizminister Klaus Kinkel erwartet eine „baldige Entscheidung“. Die Bundesregierung soll Honecker schon in den nächsten Tagen erwarten. Das Boulevard-Blatt 'Super‘ will sogar erfahren haben, Honecker werde am Mittwoch nach Deutschland zurückkehren. Kinkel und der CDU-Generalsekretär Volker Rühe bestätigten, in Bonn würden alle Vorkehrungen für die Ankunft des 79jährigen getroffen, dessen aktueller Schirmherr Clodomiro Almeyda, der chilenische Botschafter in Moskau, seit Samstag zum Rapport in Santiago weilt. Dort soll er nach den Worten von Außenminister Enrique Silva zu den widersprüchlichen Berichten über die Gesundheit Honeckers Stellung nehmen. Die chilenische Regierung will anschließend ihre Haltung überdenken und eine Entscheidung fällen. Der Fall Honecker droht in Santiago eine innenpolitische Krise heraufzubeschwören. Während führende Oppositionelle am Wochenende die Abberufung Almeydas forderten, stellten sich die Sozialisten hinter eine Aufnahme.

Unterdessen hat eine gewichtige Stimme den ehemaligen Staatschef zur Rückkehr ermutigt: Der ehemalige DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski erklärte, jeder verantwortliche DDR- Politiker, „ob Schalck, Honecker oder jemand anderes“, solle sich der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik stellen. „Sollten die deutschen Gerichte zu der Auffassung kommen, daß man schuldig ist, muß man das durchstehen“, mahnte Schalck.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium, Reinhard Göhner (CDU), erachtet die Ermittlungsunterlagen für einen erfolgreichen Prozeß gegen Honecker als ausreichend. „Wegen der Grenz- und Mauermorde kann es zur Anklage und Verurteilung kommen“, sagte er. Fehlt nur noch eins: Die Berliner Justiz hat noch immer keine Anklageschrift vorgelegt.

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