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Archiv-Artikel

Schadensbegrenzung in eigener Sache

REGIEREN Die rechtspopulistische Regierung enteignete die Aluminiumfirma, ließ den Manager festnehmen und verschärfte Gesetze. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung in acht Fällen

Von RLD
„Die kritischste Verunreinigung bleibt nach wie vor die durch Arsen“

HERWIG SCHUSTER, GREENPEACE

DEVESCER taz | Ungarns rechtspopulistischer Premier Viktor Orbán will sich kein schlechtes Katastrophenmanagement vorwerfen lassen. Zweimal schon wurde er bei den Opfern der Rotschlammlawine im Bezirk Veszprém vorstellig. Die Festnahme von Zoltán Bakonyi, Vorstandschef und Miteigner der Magyar Alumínium Zrt (MAL), am Montag, wurde vom Regierungschef im Parlament bekannt gegeben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung in acht Fällen.

Das achte Todesopfer und gleichzeitig die letzte Vermisste, wurde Montagnachmittag in Devecser gefunden. Im Parlament ließ Orbán ein Gesetz durchpeitschen, das die Funktion eines Regierungsbeauftragten für Katastrophenfälle schafft. Dieser soll über das Vermögen und das Gebaren der Geschäftsführung des Aluminiumbetriebs wachen.

Das Anlassgesetz soll in Zukunft in Notfällen schnelleren staatlichen Zugriff ermöglichen. Einige Oppositionelle meldeten zwar Bedenken an, dass bei zu schwammiger Formulierung dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet würde, doch letzten Endes stimmte nur die grünalternative LMP dagegen. Die Beteuerungen der Regierung, es werde schnell und unbürokratisch geholfen, hat bei den Banken und Unternehmen offenbar wenig Eindruck gemacht. Familien, die ihre unbewohnbaren Häuser auf Dauer verließen, wurden plötzlich ihre Hypothekarkredite fällig gestellt: Die notwendigen Sicherheiten würden jetzt fehlen. Einigen Obdachlosen, die nicht zur Arbeit erschienen, wurde mit Kündigung gedroht.

Von offizieller Seite kommt wenig Information über die mittel- und langfristige Gefährdung der Bevölkerung. Greenpeace legte am Dienstag eine Untersuchung der Schlammproben vor. Durch zumindest 3 von 37 untersuchten Elementen können nach Ansicht der Umweltorganisation langfristige Probleme für Umwelt und Gesundheit entstehen: Antimon, Nickel und Cadmium. „Die aus unserer Sicht kritischste Verunreinigung bleibt jedoch nach wie vor jene durch Arsen“, so Greenpeace-Chemikerin Herwig Schuster. Cadmium gilt als fortpflanzungsgefährdend und nervenschädigend. Für das Grundwasser liegen von offizieller Seite keine Analyseergebnisse vor, „von der Feinstaubbelastung ganz zu schweigen“, kritisiert Schuster. Greenpeace ist mit einem eigenen mobilen Feinstaubmessgerät in der Katastrophenregion unterwegs.

Am Dienstag erreichte von dem Giftschlamm potentiell verseuchtes Wasser über Nebenflüsse die Donau in Rumänien, meldete die dpa. Laut dem rumänischen Wasserwirtschaftsamt seien aber keine Schadstoffbelastungen im Donauwasser festgestellt worden. RLD