piwik no script img

Schachduell im InternetModisch und allein gegen alle anderen

Der zum Model aufgestylte Jungmeister im Schach, Magnus Carlsen, tritt ab Freitag in New York zu einem Duell gegen den Rest der Welt an.

Der norwegische Schachgroßmeister Magnus Carlsen überlegt seinen nächsten Zug. Bild: ap

BADEN-BADEN taz | Die Welt nimmt nach dem ersten Untergang einen neuen Anlauf: Heute soll der Weltranglistenerste im Schach auf die Bretter geschickt werden. Magnus Carlsen fordert Freitag ab 18 Uhr (MESZ) in New York Millionen von Fans zu einer Partie im Internet heraus. Als Vorbild diente das Duell seines kurzzeitigen Trainers Garri Kasparow. Der beste Spieler aller Zeiten war 1999 gegen den "Rest der Welt" angetreten und hatte diesen nach 62 Zügen matt gesetzt.

An dem wochenlangen Match mit einem Zug pro Tag beteiligten sich damals mehr als 3,5 Millionen Spieler aus 79 Nationen. Daran dürfte das Match allerdings kaum anknüpfen können, weil es an einem Abend ausgefochten wird. Dafür sind die Erfolgschancen höher.

Damit die Welt nicht zu rasch untergeht, sekundieren drei andere Exwunderkinder den Amateuren: Judit Polgár brach als Erste mit fünfzehneinhalb den legendären Rekord von Bobby Fischer als jüngster Herren-Großmeister aller Zeiten.

Als erstem Amerikaner gelang dies Hikaru Nakamura (22), der französische Spitzenspieler Maxime Vachier-Lagrave (19) wurde sogar im Alter von 14 Großmeister - Carlsen hatte dies jedoch bereits mit 13 erledigt.

"Ich habe Magnus schon mal geschlagen und will es wieder tun", äußert Großmaul Nakamura, haut dabei zur Betonung mit der Faust in die linke Handfläche und fordert im Video auf der Webseite: "Unterstützen Sie uns, Magnus zu schlagen!"

Judit Polgár bittet mit einem gewinnenden Lächeln ans Brett. Die Fans rund um den Globus sollen den Norweger mit "unerwarteten Zügen durcheinanderbringen". Ihr selbst gelang das zuletzt nicht.

Die 34-jährige Ungarin führt zwar seit 1989 unangefochten die Frauen-Weltrangliste an - doch beim Schnellschach-Turnier vor wenigen Tagen in Kristiansund überrollte sie der 19-jährige Superstar in 35 Zügen und gewann später das Finale gegen den indischen Weltmeister Viswanathan Anand.

Der Bekleidungshersteller G-Star RAW landet mit der Partie einen weiteren Mediencoup. Schon auf der Modemesse "Bread & Butter" in Berlin hatten die Niederländer mit Carlsen für Aufsehen gesorgt: Neben Hollywoodstar Liv Tyler präsentierte das kantige skandinavische Gesicht betont mürrisch dreinblickend die neue Imagekampagne des Jeansherstellers.

Der vom Norwegerpulli erlöste neue Modestar bekam Weiß zugelost und führt daher heute im Penthouse des Cooper Square Hotels den ersten Zug aus. Diesen gibt ein Operator für die Live-Übertragung in den PC ein. Die drei Sekundanten sehen den Zug nun ebenso in ihrem Raum. Den Weltklassespielern bleiben wie ihrem Gegner nur 60 Sekunden Zeit, sich die beste Entgegnung auszudenken.

Lediglich dreimal dürfen beide Seiten die Bedenkzeit überziehen und drei Minuten lang an einem Zug brüten - bei einem vierten Mal wäre die Partie durch Zeitüberschreitung unabhängig vom Stand verloren.

Sollten sich die drei Großmeister bei einem offensichtlichen Zug einig sein, wird diese Fortsetzung direkt in das Penthouse übertragen. Ein Butler setzt diesen bei Carlsen aufs Brett und drückt wieder die Uhr.

Häufig dürfte das vom Spielstil her wenig homogene Trio aber für unterschiedliche Figurenattacken plädieren - die drei Vorschläge der Asse werden dann jeweils an den Bildschirmen rund um den Globus angezeigt.

Den auf der Webseite registrierten Fans bleiben anschließend 90 Sekunden, ihren Favoriten auszuwählen. Der Zug, der im Internet die meisten Stimmen bekommt, wird letztlich jeweils gespielt.

Mancher ehrgeizige Amateur dürfte am heimischen Rechner ein Schachprogramm mitlaufen lassen, um die Welt auf den 64 Feldern zu retten. Die Engines sind inzwischen stärker als normale Menschen - aber wird das gegen den "Mozart des Schachs" reichen?

Maurice Ashley, der als Kommentator des Duells gegen den Rest der Welt fungiert, meint trocken zu den Ankündigungen seiner drei Großmeisterkollegen des Norwegers: "Die Herausforderer verweisen tapfer darauf, dass es nichts dergleichen gibt wie einen perfekten Schachspieler. Das Problem ist dabei jedoch: Niemand hat das Magnus erzählt."

Die Schachpartie wird Freitag, den 10.9. ab 18 Uhr auf rwcc.g-star.com übertragen. Nach einer Registrierung kann jeder über die Züge mit abstimmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • E
    Epiklese

    Da Schach in einem unglaublichen Maße an Popularität verloren hat, dürfte die Wahrscheinlichkeit recht hoch sein, daß diese Partie nur von Menschen verfolgt wird, die professionelle Schachprogramme verwenden.

     

    Insofern ist die Wahrscheinlichkeit ebenfalls hoch, daß Carlsen nur deshalb gewinnen wird, weil die drei GM's den Amateuren "assistieren". Die Siegeschancen der Amateure steigen also durch den Einsatz der GM's nicht, sondern sinken im Gegenteil. Die Amateure müssten nur Deep Rybka 4 mitlaufen lassen und würden mindestens ein Remis herausholen.

     

    So ist dieses Ereignis ein gutes Beispiel dafür, warum Schach -zumindest für mich- an Attraktivität verloren hat, seitdem die Schachcomputer besser sind als quasi alle Menschen. (Auch wenn Kasparov immer noch meint, betrogen worden zu sein, und Kramnik die menschliche "Intuition" verteidigt...)