Saumagen und Schweinsfüße für Mr.President

25 Stunden Bush in der Bundesrepublik: Nicaragua-Transparent trotzt gigantischen Sicherheitsmaßnahmen Internationale Medien-Show / Kein Präsident zum Anfassen / „Mr President, take your nukes home“  ■  Aus Mainz Gerd Nowakowski

Helmut Kohl tobte. Gut synchronisiert mit dem gerade gelandeten US-Präsidenten gelang es einer Mittelamerikagruppe, vom Balkon des Mainzer Rathauses ein riesiges Protesttransparent gegen die US-Politik in Nicaragua zu entrollen. Zwar war der Vordereingang des Gebäudes gesperrt, doch an den Hintereingang, der ungehinderten Zugang zur Kantine bescherte, hatte keiner gedacht. Eine peinliche Schlappe, hatten doch bereits seit mehreren Tagen Geheimdienstspezialisten der Amerikaner und deutsche Hilfskräfte die Stadt gesichert.

An alles hatte man gedacht: Die Kanalisation wurde von Froschmännern durchschwommen, Parkplätze weiträumig an der Fahrtroute des Präsidenten zur Rheingoldhalle gesperrt und zur Attentatsabwehr gar erwogen, die Kanaldeckel zuzuschweißen. Während des Bush-Aufenthalts blieb die Rheinbrücke nahe der Rheingoldhalle gesperrt, die Rheinschiffahrt wurde stark eingeschränkt, und auch der Luftraum durfte nicht überflogen werden.

Zwar blieb dem US-Präsidenten der Anblick einer gleichzeitg stattfindenden Demonstration erspart, doch auch die Zahl der Bush-Fans hielt sich in Grenzen. Am Abend zuvor hatten rund 1.000 Demonstranten gegen den Besuch protestiert und dabei auch den Dom besetzt. Am Mittwoch mittag fanden sich dagegen nur einige hundert Menschen an der Mainzer Festhalle ein und auch die nicht allesamt, um George Bush zu bejubeln. „Mr.Präsident, take your nukes home“, ließ eine Frau ein kleines Plakat leuchten.

Ein Bad in der Menge, wie es sich Bundeskanzler Kohl vor dem Besuch gewünscht hatte, wurde dem Präsidenten nicht zuteil. Dagegen stand bei dem knapp 25stündigen Besuch des Präsidenten der hektische, dichtgedrängte Zeitplan mit seinen ständigen Ortswechseln als auch die Sicherheitshysterie, die Begegnungen nicht zuließ. Statt dessen verblieb der amerikanische Gast im überschaubaren Gewimmel des offizösen Bonns, seines Hofstaates und der Phalanx von Pressevertretern.

Die Show ist die Message, scheint das beherrschende Motto zu sein. Es geht um die mediale Action, die Inhalte sind unwichtig für die amerikanische Presse: Die Pressekonferenz am Dienstag abend vor dem Kanzleramt mit rauschenden Bäumen wie „in the black forest“ genießt Kohl. Er ist fest entschlossen, das Ergebnis des Nato-Gipfels und die Bush -Visite als Erfolg zu verkaufen - seine letzte Gelegenheit vor der Europawahl, noch einige Punkte zu machen. Das ist ein guter Tag, grinst Kohl so breit wie lange nicht und sieht „nur Gewinner“ in Brüssel, und Bush erklärt, nie sei das deutsch-amerikanische Verhältnis besser gewesen als heute. In wenigen Minuten ist alles vorbei; nur vier Fragen dürfen gestellt werden, davon bleiben zwei unbeantwortet.

Doch auch dort, wo es möglich wäre, bei den sozialen Aktivitäten der beiden First Ladys, hält sich das deutsche Volk zurück. Als Barbara Bush am Mittwoch vormittag an der Seite von Hannelore Kohl der Stadt Bonn zum Anlaß ihres Geburtstags die Scheibe eines mehr als 2.000 Jahre alten Ahorn-Baumes überreicht, sind lediglich 200 Menschen anwesend - die Mehrzahl gehört zur amerikanischen Kolonie in der Bundeshauptstadt.

In der Mainzer Rheingoldhalle, wo zu anderen Zeiten die Narren tagen, konnten Bushs als programmatisch angekündigter Rede vor allem Funktionäre und Vertreter der Wirtschaft lauschen; um die restlichen einhundert von eintausend Plätzen durfte sich die Normalbevölkerung bewerben: Die Auswahl traf die rheinland-pfälzische Staatskanzlei.

Den Abschluß des Besuches, so hat es sich Helmut Kohl gewünscht, bildete gestern eine Fahrt auf dem Rhein. Saumagen und gefüllte Schweinsfüße - Kohls pfälzische Lieblingsspeisen - werden an Bord der MS Stolzenfels serviert. Natürlich geht's mit dem Schiff zur Loreley - die Bevölkerung darf von den Ufern des Stroms dem Präsidenten nachschauen. Mag sein, daß Helmut Kohl dabei auf subtile Weise Zweifel an der deutschen Bündnistreue zerstreuen wollte. Gorbatschow sei die neue Loreley der Deutschen, hatte nämlich auf der Münchener Wehrkundetagung im Februar der amerikanische Senator Glenn noch gegrantelt. Die Loreley ist deutsch, kann Kohl nun klarmachen.

Gerd Nowakowski