Sauer

■ betr.: "Das Coming out ist noch leise",taz vom 12.7.88

betr.: „Das Coming out ist noch leise“, taz vom 12.7.88

Wir, ehemalige DDR-Lesben, Mitbegründerinnen des seit sechs Jahren bestehenden Arbeitskreises „Lesben in der Kirche“ (Ost-Berlin), waren nach Lesen des genannten Artikels sauer über die ungenaue Recherche der K. Schmutz.

1. Daß wir öffentlich aufgetreten sind, ist korrekt. Allerdings nicht überwiegend im Zusammenhang mit Schwulen und auch nicht außerprogrammäßig. Im Gegenteil haben wir Wert darauf gelegt, als autonome Gruppe zu arbeiten und aufzutreten. Präzise heißt das, daß wir auf kirchlichen Veranstaltungen separat und fest im Programm eingeplant waren.

2. „Laute, offensive Töne waren nicht zu hören.“ Damit dieser Satz nicht falsch verstanden wird, möchten wir darauf hinweisen, daß es schon vor Jahren durchaus offensive Charakterzüge in der Lesbenarbeit gegeben hat. Unter anderem: Es gab mehrere öffentliche Versuche des AK „Lesben in der Kirche“ im ehemaligen KZ Ravensbrück, die dort ermordeten lesbischen Frauen zu ehren. Derartige Aktionen wurden insgesamt dreimal von der Staatssicherheit abgeblockt. Das löste eine kontroverse und offensive Diskussion zwischen Lesbenbewegung und staatlichen Organen aus.

3. „Den Durchbruch in der Öffentlichkeit schafften Schwule und Lesben wie andere kulturelle und politische Randgruppen über die evangelische Kirche.“ Das mag für die Schwulen zutreffen, stimmt aber keineswegs für die Lesben in Ostberlin. Den geringen Erfolg, kirchliche Räume nutzen zu können, verdanken die Lesben ihrer eigenen Unnachgiebigkeit, indem sie kirchlichen Vertretern immer wieder Auseinandersetzungen mit lesbischer Lebensweise aufzwangen. Verändert hat sich dennoch wenig. Im Gegenteil gibt es ausgesprochen schwierige und letztendlich fruchtlose Diskussionen mit aktiven Gemeindegliedern und verbohrten Pfarrern, die auch bis jetzt noch nicht die Toleranz aufbringen, Lesben in die Kirche, sprich in die Info-Blätter der Gethsemane-Gemeinde, aufzunehmen. Deswegen kann die Überschrift des stattgefundenen Forums „Menschrechte, Christenrechte, Frauenrechte“ nur zynisch gemeint sein.

4. „In der Zwischenzeit haben die DDR-Medien das Thema aufgegriffen.“ Dieser Satz erweckt den Anschein, daß die DDR -Medien aus eigenem Antrieb auf das Thema gekommen sind, vielleicht aus Barmherzigkeit für Randgruppen (zum Beispiel homophile Werktätige). So gestaltete sich denn auch der Tenor solcher Artikel; auch homosexuelle Frauen und Männer haben einen Platz in dieser sozialistischen Gesellschaft. Und dabei blieb es bis jetzt. Es gab und gibt in der DDR keinerlei Anstrengungen, sich intensiv mit der homosexuellen „Problematik“ auseinanderzusetzen, sprich Schul- und Bildungspolitik der DDR diesbezüglich zu ändern und eine juristische Gleichstellung zu garantieren.

5. „Seit etwa zwei Jahren erscheinen in den Zeitschriften auch Kontaktanzeigen.“ Wir wissen nicht, wie genau K. Schmutz Ostberliner bzw. andere DDR-Zeitschriften studiert. Deshalb möchten wir klarstellen, daß zum Beispiel in der 'Berliner Abendzeitung‘ des laufenden Jahres 1987 (vielleicht anläßlich der 750-Jahrfeier) diese Kontaktanzeigen nicht mehr erschienen. Das gleiche trifft fast ausschließlich auf andere Ostberliner und DDR-Zeitungen und -zeitschriften zu.

(...) Das coming out ist viel lauter, als es westliche Journalisten hören wollen.

Marina Krug, Katrin Düsterdick, Sylvia Schauecker