Sarkozys Zukunftsvision: Paris platzt
Nicht gerade bescheiden ist die neue präsidiale Baustelle von Nicolas Sarkozy. Er plant die Zukunft der französischen Hauptstadt, zehn Stadtplaner stellen ihre Ideen vor: "Le Grand Paris".
Wie soll das Paris der Zukunft, das Paris der Kioto-Ära im 21. Jahrhundert aussehen? Darum geht es in der Ausstellung "Le Grand Pari(s)" in der Cité de lArchitecture et du Patrimoine (Museum für Architektur und Kulturerbe) am Pariser Trocadéro. Für Präsident Sarkozy ist "Le Grand Pari(s)" eine große Wette (un pari). Mit der Zeit, mit dem Geld, mit der Technik.
In zehn Wigwams ähnelnden Räumen zeigen berühmte europäische Architekten (sechs Franzosen, vier aus Italien, Großbritannien, Holland und Deutschland) ihre Vision von einem neuen Paris. Hier reicht die Hauptstadt, der Seine entlang, bis Le Havre am Ärmelkanal, dort entsteht ein großer, von Wolkenkratzern gesäumter Park ähnlich dem Central Park in New York, oder aus der berühmten Sorbonne wird mitten im Zentrum ein tausend Meter hoher Turm. Im Jahre 2030 wären die Pariser Verkehrsmittel rasend schnell, die Wohngebäude Energie sparend, aus den sozialen Brennpunkten der Vorstadt würden Horte der Exzellenz. Fotos, dreidimensionale Bilder und Videos ermöglichen dem Zuschauer, die oft sehr komplexen Ideen der Architekten zu begreifen.
Das heutige Paris platzt nämlich aus allen Nähten: Die Stadt hat ein Fünfzehntel der Fläche von London und ein Achtel Berlins. Die französische Hauptstadt ist am Ersticken. Staus gehören zum Alltag, Metro und S-Bahnen sind unzuverlässig und veraltet. Die teuren Wohnungspreise treiben die Bewohner in die Vororte.
Kein Wunder, dass die "Franciliens", die 12 Millionen Menschen rund um Paris, in die Ausstellung strömen. Ihre Erwartungen sind enorm: "Ich wohne in Saclay (ein Plateau südlich von Paris)", erzählt ein junger Mann. "Hier gibt es zwar die École Polytechnique und ein Atomforschungszentrum. Sonst nur Kühe."
Aber ist Paris überhaupt noch zu retten? In einem Interview mit Le Monde zeigt sich der französische Komponist Pascal Dusapin skeptisch. Obgleich er seine Hauptstadt liebt, bleibt sein Modell die Stadt Berlin, "nicht nur, weil sie neu und zehnmal größer" sei. Berlin rieche "nach Zukunft", "alles scheint dort möglich".
Doch wenngleich Paris zur Immobilität verurteilt bliebe, bleibt Paul Chemetov, der Kopräsident des wissenschaftlichen Rates der Ausstellung, zuversichtlich: "Das Ziel ist es, aus dem Bestehenden etwas Neues zu bauen." Nur den Kriegen sei es schließlich gelungen, die Vergangenheit zu löschen.
Wie ein Einsiedlerkrebs hat Paris dauernd neue Mauern um sich gebraucht. Das begann unter König Philippe Auguste Ende des 12. Jahrhunderts und reicht bis zu dem französischen Staatsmann Adolphe Thiers im Jahre 1840. Aber Anfang des 20. Jahrhunderts stimmten die Verwaltungsgrenzen nicht mehr mit dem tatsächlichen Territorium der Stadt überein. Paris wuchs permanent, ohne dass die Gemeinde ihre Grenzen erweiterte. Durch das ganze 20. Jahrhundert hindurch wurden zahlreiche Versuche unternommen, diese Entwicklung in den Griff zu bekommen. Bis heute ohne wirklichen Erfolg.
Soll das heißen, dass Nicolas Sarkozy sich eine unmögliche Aufgabe zum Ziel gesetzt hat? Seine Vorgänger haben tatsächlich bescheidenere Spuren hinterlassen: Georges Pompidou das Centre Beaubourg, François Mitterrand die Pyramide des Louvre, Jacques Chirac das Musée des Arts premiers (Museum der primitiven Künste).
Sarkozy sieht sich bei seiner präsidialen Baustelle als neuen Baron Haussmann, der die großen Pariser Boulevards im 19. Jahrhundert schuf. Sarkozy möchte die Arbeiten schon vor 2012 beginnen, noch bis Ende des Jahres will er erste konkrete Projekte absegnen lassen.
Die Kostenfrage macht allerdings sprachlos. Der Präsident betonte, dass die öffentlichen Verkehrsmittel Priorität hätten. Geplante Ausgaben: 35 Milliarden Euro. Außerdem will er den Bau von 70.000 Wohnungen in der Île-de-France vorantreiben und - natürlich - neue Arbeitsplätze schaffen.
Die Verwirklichung von "Groß-Paris" dürfte Jahrzehnte dauern und darunter wird wahrscheinlich am Ende alles Mögliche fungieren.
Cité de l'Architecture et du Patrimoine (Museum für Architektur und Kulturerbe), Paris, bis 22. 11.
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