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Sarkastische Aperçus

betr.: „Beraubung des Verstehens“, taz vom 31. 8. 00

Wieder einmal wird in Perfektion und – was eher selten ist – mit bissiger Ironie vorgeführt, dass sich die Systemtheorie zwar vorzüglich zur Beobachtung und Beschreibung gesellschaftlicher Kommunikationsverhältnisse eignet. Die Ausdeutung ihres Erklärungspotentials endet aber regelmäßig an dem Punkt, an dem es angesichts zuschreibbarer (Gewalt)handlungen nicht triviale sozialwissenschaftliche Konzepte zu formulieren gilt.

Anstatt den eigentlichen Skandal, nämlich das stille Einverständnis zwischen der Menschen verachtenden Brutalität der Brandstifter und der um Formwahrung bedachten Biederleute, zum Ausgangspunkt einer systemtheoretisch inspirierten Offerte an die Zivilgesellschaft zu machen, begnügt sich Fuchs gerade zum Ende seines Beitrags mit sarkastischen Aperçus zur postmodernen teutonischen Gemütlichkeit.

Wer aber nicht allein auf die Verfahrenslogik der Rechtsstaatlichkeit und die administrative Einforderung von Zivilcourage setzten möchte, muss gerade jenen lebensweltlichen Vernunftbegriff bemühen, dessen sich Fuchs (und mit ihm die Systemtheorie) allzu eilfertig und vorsätzlich entledigt. Und der ist nicht per se kuhwarm, sondern ein Beobachtungsmodus, der die notwendige Unterscheidung von Verstehen und Verständnis zulässt.

FRANK KRÄMER, Münster

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