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Sarah Wiener Die ZutatDer Mai schmeckt überraschend harzig

Foto: Sarah Wiener Stiftung

Der Wald gibt im Frühjahr erstaunlich wenig her für den kulinarischen Genuss. Aber wenig heißt nicht nichts. An Nadelbäumen bilden sich im späten Frühling frische, hellgrüne Triebspitzen. Diese sind nicht nur gesund, sie bereichern die Küche auch um ein wunderbares, seltenes, harziges Aroma. Die sogenannten Maiwipferl stecken voller ätherischer Öle und Vitamin C. Nur Vorsicht beim Sammeln: Während die Triebe von Tanne und Fichte unbedenklich genossen werden können, ist die Eibe giftig. Anhand ihrer roten Früchte ist sie leicht zu erkennen, aber zur Sicherheit fasse ich immer auch die Nadeln an. Sie sind weich, wie die der Tanne, haben aber keine weißen Streifen auf der Unterseite.

Von den essbaren Triebspitzen ernte ich immer nur zwei, drei pro Ast, um den Baum nicht zu sehr zu beschädigen. Dann setze ich etwa einen Maiwipferlhonig gegen Husten an. Dafür nehme ich 500 g flüssigen Honig, mische 250 g Maiwipferl darunter und verschließe das Glas. Mit der Zeit wird der Honig, der täglich umgedreht werden muss, dunkler. Nach drei Wochen seihe ich ihn ab und fülle ihn für den Winter in neue Gläser.

Natürlich kann man die Triebe auch direkt verwerten. Dafür setze ich sie mit Wasser auf, lasse sie etwa zehn Minuten kochen und wieder abkühlen. Es entsteht ein Maiwipferlsud, der zum Beispiel zum Marinieren von Wildbret genutzt werden kann. Ich mische ihn manchmal in einen Brotteig, um diesen aufzupeppen. Wer mag, kann die Triebe auch mit Pinienkernen, Olivenöl und Knoblauchzehen zu einem besonders aromatischen Pesto verarbeiten.

Gut lassen sich Maiwipferl auch mit einem anderen Gemüse kombinieren, das gerade Saison hat: Spargel. Dafür koche ich eine Handvoll Maiwipferl mit Zuckerwasser (60 g Zucker und 100 ml Wasser) zu einem Sirup, passiere ihn durch ein Sieb und lasse ihn abkühlen. Dann erhitze ich etwas Butter in einem Bräter, füge den Maiwipferlsirup hinzu und lasse den grünen Spargel darin leicht karamellisieren. Anschließend im Backofen noch ein paar Minuten garen lassen und mit frischen, fein gehackten Maiwipferln dekorieren. Dazu passen geschmorte Steinpilze oder eine Rehkeule.

Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblingszutaten vor. Heute: Tannenwipfel.

Mit dem restlichen Sirup mache ich noch eine Nachspeise. Dafür mische ich ihn mit einem halben Kilo frisch pürierter Erdbeeren, fülle die Masse in einen flachen Behälter und lasse sie über drei bis fünf Stunden gefrieren. Dazwischen rühre ich mit dem Schneebesen immer wieder durch, damit das Ergebnis schön cremig wird. Zum Servieren tauche ich einen Esslöffel in heißes Wasser, steche kleine Nocken heraus und garniere sie mit frischen Erdbeeren und fein gehackten Nadeltrieben. Guten Appetit!

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