Sanssouci: Vorschlag
■ Sophisticated HipHop: The Pharcyde heute im Knaack-Club
Viel geändert hat sich in den letzten Jahren nicht: Gehört und rezipiert wird amerikanischer HipHop weiter unter dem Primat der im günstigsten Falle sportiven Ost-West-Rivalität: Hier der Wu-Tang-Clan und ein paar wenige Filigran-HipHopper, dort die G-Funker mit Dre, Cube und dem neuerdings auch dort eingemeindeten „HipHop's Most Wanted“, Mr. 2Pac Shakur. Um so erfreulicher, daß es noch ein paar andere, gegen den allgemeinen Trend rappende und musizierende HipHop-Crews gibt wie die Fugees oder die in Los Angeles beheimateten Pharcyde.
Als 1992 der Gangster-Funk seinen Siegeszug um die Welt antrat, veröffentlichten Pharcyde ihr Debüt „A Bizarre Ride II The Pharcyde“. Ganz imagegerecht kamen Pharcyde zwar aus South Central, dem Viertel, in dem die Riots starteten und, wie manche Legende will, der G-Funk seine Weihe erhalten hatte; dieses Album jedoch hatte mit Gangster-Manierismen überhaupt nichts gemein: Es klang, wie schon der Titel versprach, abgedreht, verrückt und sophisticated, war bestückt mit Jazz-Samples und Piano-Licks und erinnerte an De La Souls „Three Feet High and Rising“ oder das Questsche Debütalbum. Nicht zuletzt wegen des bunt-psychedelischen Covers, das die vier Rapper als geisterbahnfahrende Cartoonfiguren zeigte, wurden sie seinerzeit als HipHop-Clowns oder „goofy-ass idiots“ bezeichnet, obwohl manche Songs, beispielsweise das einzigartige „Passin Me By“, völlig anders klangen: traurig, nachdenklich und die heimischen Begebenheiten klug reflektierend.
Mit ihrem „LabCabInCalifornia“ betitelten zweiten Album knüpfen sie da an. Reifer und ruhiger sind sie geworden: Hammond-Orgel, Vibraphone und doppelt fettes Bass-Spiel dominieren. Sophistication und Doppeldeutigkeit stehen vor dem schnellen, dumpfen Funkroller. Freunde des guten Geschmacks werden an vielen Stellen fündig. Die besten Tracks wie „Runnin'“ oder „Moment In Time“ werden von Gefühl, Melancholie und der Sehnsucht zu Leben und Tod gleichermaßen durchzogen. Consciousness-Rap hat man HipHop wie den ihren früher mal genannt, und auch wenn in Kalifornien zumeist nur mit den Muskeln gespielt und Liebe gemacht wird und man vor allem mit Gun- und Gangsta-Lyrics argumentiert: Pharcyde nähren das zarte wiedererblühende Pflänzchen Hoffnung auf einen aufrichtigen HipHop jenseits von Geld, schnellem Ruhm, Ausverkauf und blöden Ost-West-Schlammschlachten. Gerrit Bartels
The Pharcyde, heute, 22 Uhr, Knaack-Club, Greifswalder Straße 221, Prenzlauer Berg
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