Sanssouci: Vorschlag
■ „Wer tötete Chico Mendes?“ im Statthaus Böcklerpark
Das ist politisch korrektes Theater – die Berliner Compagnie inszenierte „Wer tötete Chico Mendes“. Das Thema: Mendes' gewaltloser Kampf als Gewerkschaftsführer der Kautschukbauern gegen die Vernichtung des Regenwaldes – und sein brutales Ende, seine Ermordung. Seine Kontrahenten sind die Machthaber der Zentren des Zentrums und der Peripherie: die Vertreter von Weltbank und IWF, die brasilianische Regierung sowie die Großgrundbesitzer. Auf der Szene vertreten sind die Parteien durch Kaiser Midas, Herrscher über das Imperium Atlanticum; und durch Fürst Delfim Pronzo, Vizekönig von Urzonia. Es stimmt, was gezeigt wird: Die Weltbankvertreter, die auf Chico Mendes' Initiative hin der brasilianischen Regierung einen Kredit für den Straßenbau durch den Regenwald verweigerten: sie handelten nur eigennützig, da auch ihre saubere Luft auf dem Spiel stand; scheinheilig, weil die von ihnen gestellten Kreditbedingungen das Leben der breiten Bevölkerung (für die sich Mendes als Gewerkschaftsführer einsetzte) extrem verschlechterten.
Doch das alles ist den anwesenden Zuschauern ohnehin längst bekannt. Leider nämlich ist das Stück nichts weiter als ein illustriertes Lehrbuch, und die Sätze, die Chico und den anderen Personen in den Mund gelegt werden, von entsprechendem Charme. Chico zu einem rodenden Arbeiter: „Wenn du einen Wald wie diesen rodest, arbeitest du gegen dich selbst. Wir dürfen uns nicht aufsplittern lassen. Am besten ist, du kommst morgen zu unserer Versammlung.“ Peinlich auch Sätze, denen ein Versmaß aufgepreßt wurde. Großgrundbesitzer zu Chico: „Hier bist du groß, gib acht, es kommt der Tag, da wirst du auf dein Maß gebracht.“ Fast unerträglich dann, wenn den weiblichen Rollen – entsprechend der „spezifisch weiblichen“ Sensibilität – die Vermittlung zwischen Kaiser und Chico sowie die Verbindung zu den Regenwaldgeistern auferlegt wird.
In der Turnhallenathmosphäre des Statthauses Böcklerpark ziehen sich 13 Szenen in die Länge, die im Großstadtmüll lateinamerikanischer Slums und im Regenwald angesiedelt sind. Zerrissene Regenschirme stehen für den Wald und dienen gleichzeitig als Herrschaftssymbol, wenn Lakaien damit ihrem Kaiser Schutz vor der Sonne bieten. Derart überfrachtet, wird jeder Moment erstickt, in dem das Stück grotesk zu leben beginnt: Als Chicos Mörder entwickelt Gerhard Fries überraschenderweise Spannung inmitten der Plumpheit. Er mimt einen gruslig-dumpfen Knecht, dem die Nase mit einer um den Kopf gebundenen Schnur eingedrückt wird. Eine komisch-fiese Wirkung, die jedoch nicht lange anhält. Es bleibt der Eindruck, daß hier ein Stück aus dem Lehrbuch „Wie Theater nicht funktioniert“ gezeigt wird. Petra Brändle
Nächste Vorstellungen: Heute und 23. bis 26.7., jeweils 21 Uhr.
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