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SanssouciNachschlag

■ "Initiation" von Ulrike Dietmann im Tacheles

Es war, als würde fast jedes Wort von einem Punkt verfolgt, jeder Satz von einem Ausrufezeichen ins Bedeutungsvolle gehoben, Pausen lassen Dialoge zu zähflüssigen Monologen gerinnen. Als wäre das allein noch nicht genug, unterstreichen langsame Gesten, tiefe Blicke und schleichende Schritte den symbolträchtigen Text. „Initiation“ heißt das Stück von Ulrike Dietmann. In der Inszenierung von Heike Gäßler wurde daraus eine dreistündige schwere Geburt in 13 Szenen. Gewiß, eine Initiation ist ein schwieriger und langwieriger Prozeß, dies aber so deutlich, so erdenschwer-bedeutungsschwanger in Text, Regie und Spiel auf die Bühne zu bringen, ist eine Zumutung. Der Plot: Ein Mann und zwei sehr unterschiedliche Freundinnen treten auf. Minni (Evelyn Stefanov-Fuchs) ist eine gesetzte, feministisch geschulte Frau mit Depressionen, Muri (Annette Kühnau) eine punkig angehauchte Gesellschaftsrebellin inmitten intellektueller Existenzzweifel. Mit beiden beginnt Oliver (Heiko Schendel) eine Bettgeschichte, sie ahnen nichts vom gemeinsamen Liebhaber.

So weit, so gut. Einige erfreulich lebendige und treffende Sequenzen – Minnis besoffen-torkelnder Stöckelschuhtanz in der Bar, die stereotypen Anmachtouren mit den dennoch echten Floskeln – trösten über die ambitionierte Künstlichkeit der postmodernen Sinnkrisen hinweg. Doch alle nehmen sich viel zu ernst. Schade, denn für die surreale Zuspitzung bleibt den ZuschauerInnen keine Geduld mehr. In ihre Gefühlen verstrickt, erdrosselt sich Minni fast im Spannbettuch, schauerlich ist ihr hohes Gewimmer, das zwischen orgasmischem Stöhnen und verzweifeltem Weinen schwebt. Ärgerlich bleibt auch die geklaute Science-fiction-Einlage am Ende: Oliver tritt im Superman- T-Shirt auf und frißt Kakerlaken wie Cosmo Disney in Sewan Latchinians Inszenierung von „Disney Killer“ in der Baracke des Deutschen Theaters, und Minni wimmert wie Haley Stray im selben Stück. Petra Brändle

Bis 6.12., 20 Uhr im Tacheles, Oranienburger Straße 53-56, Mitte.

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