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SanssouciNachschlag

■ „Hauptsache glücklich“ – Musikrevue im Schlot

Zwanziger-Jahre-Schlager haben gerade mal wieder Hochkonjunktur. Nostalgie kommt immer gut, und zwischen „Kriminaltango“, „Joseph, ach Joseph“ und „Waldemar“ gibt es genügend Möglichkeiten, jede gewünschte Gemütsverfassung unverfänglich zu bedienen. Daß ein kleines Theater versucht, das Publikum auf derart bewährten Pfaden anzulocken, ist durchaus legitim. Im Schlot heißt es derzeit: „Hauptsache glücklich“. Im zweiten Stock des alten Fabrikgebäudes in der Kastanienallee erwarten einen 24 Schlager aus den zwanziger Jahren, mehr oder minder talentiert interpretiert von zehn Darstellern und einer Pianistin. 16 davon werden revueartig aneinandergereiht und als etwas hölzerne, im Ganzen jedoch passable Show präsentiert. Anna Gabriel, Fred Neuhäusel und Camilla Schulz können als Show-Talente namentlich genannt werden, und Tanja Ries hat eine wundervolle Jazz- und Soulstimme. So weit, so durchwachsen. Bisher war aber erst vom zweiten Teil des Abends die Rede.

Der erste besteht aus einem Casting für die Show. Das kennt man aus „A Chorus Line“. Und auch Ulrich Wallers Nachkriegsrevue „Davon geht die Welt nicht unter“, vor drei Jahren vom Schiller Theater im Ballhaus Rixdorf gezeigt, funktionierte hervorragend nach dem gleichen Prinzip. Ein Arschloch von Regisseur macht reihenweise Mädels fertig, die zum Vorsingen angetanzt kommen. Bewährt zwar, aber nicht sehr originell also, diese Idee von Schlot-Regisseur Martin Becker. Unseligerweise standen ihm keine Schauspieler zur Verfügung, die dieses szenisch einfältige Arrangement zum Leben erwecken könnten. Der Darsteller des Regisseurs (Henner Tappe) dilettiert ausführlich und unerquicklich in einer fiesen Charge, und nur eine von acht Szenen wird von Anna Gabriel als schwäbischer Diva, die ihren debilen Mann mitbringt, komisch ausgestaltet. Ansonsten Leerlauf.

Die zweite Vorstellung war ausverkauft, das Publikum schien im Ganzen sehr angetan zu sein. Ich frage mich, wovon. Wer auf der Nostalgiewelle schwimmt, sollte lieber ins theater im palais kraulen und bei „Jawoll meine Herrn“ seine Maßstäbe überprüfen. Petra Kohse

Weitere Vorstellungen bis 8.1., vom 11.–13. und vom 18.–22.1., 20.30 Uhr, Schlot-Theater, Kastanienallee 29, Prenzlauer Berg.

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