Sanssouci: Vorschlag
■ Kamerunische Dissidenz: Mongo Beti liest im Haus der Kulturen * Zeitlose Popmusik, toughe Version: St. Etienne im marquee / Nachschlag * Hommage für George Tabori in der Akadamie der Künste
„Ein Schriftsteller, der sich in die Politik einmischt – das klappt selten.“ Mongo Beti, der große Kameruner und einer der profiliertesten Autoren Afrikas, ist über seine eigene, ihm durch jahrzehntelanges Exil aufgezwungene Rolle als internationales Sprachrohr der kamerunischen Dissidenz nicht ganz glücklich. Dabei ist die Schriftstellerei für Beti, wie er jetzt bei einem Vortrag in Hamburg erklärte, eine „Suche nach der Wahrheit“, die Phänomene hinterfragt und somit zwangsläufig zur Kritik des Kolonialismus führt.
Daß bis heute alle wichtigen Entscheidungen über die Zukunft Kameruns in Frankreich fallen, daß insbesondere das offiziöse kulturelle Leben dieses geschundenen Landes von Paris bestimmt wird, ist für Beti Anlaß, die frankophone Literatur Afrikas für tot zu erklären – und zugleich ihre Wiedererweckung zu betreiben: Mongo Beti, der immer aus Frankreich gegen die Diktatoren seiner Heimat anschrieb, beendete Ende letzten Jahres sein Exil und führt heute in der kamerunischen Hauptstadt Jaunde eine Buchhandlung. Vorher veröffentlichte er noch, als Bilanz, einen Essay im Pariser Verlag La Découverte: „La France contre l'Afrique – Retour au Cameroun“. Dominic Johnson
Heute abend um 18 Uhr liest Mongo Beti aus diesem Buch im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten.
VorschlagZeitlose Popmusik, toughe Version: St. Etienne im marquee
St. Etienne sind, ausgestattet mit den aktuellsten Mitteln und Moden dieser Zeit, die kluge und neuerliche Fortsetzung des 82er Pop. Aus den Trümmern der Rave-o-lution hervorgegangen, entwickeln sie seit mehreren Alben ihre eigene Version von Club-Culture, House-Music und Synthie-Pop, bedienen sich sorglos aller Sounds (und Songs!) und scheren sich keinen Deut um heilige Kühe von Pop, House oder Rock. Auch auf „Tiger Bay“, ihrem jüngsten Album, ist das so: Neben den feingesponnenen House-Pop-Fegern stehen die hochnotpeinlichen, an alle Schmerzrezeptoren rührenden Balladen, tönen auf dem Teppich eines fixen Beats Flamenco-Gitarren, Querflöten, Oboen und anderer Kram.
Ganz obendrauf sorgt die typisch britische Kleinmädchen- Stimme von Sarah Cracknell für die vielleicht einzige st.-etiennesche Identität. Tougher Kitsch auf der Grundlage von heimatlicher Soundtüftelei. St. Etienne sind up to date und in the house, aber auch ein guter Beweis für die Zeitlosigkeit von Pop und die Hinfälligkeit mancher Theoreme. Also erinnert man sich und gibt die Hoffnung nicht auf, daß alles doch noch gut wird. Gerrit Bartels
St. Etienne spielen heute abend um 21 Uhr im marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg.
NachschlagHommage für George Tabori in der Akademie der Künste
Es gibt Geburtstagsfeiern, die sich selber feiern, oder besser: Die Gratulanten feiern sich. In der Akademie der Künste war am Sonntag mit der Hommage „Rosen für George“ alles für ein solcherart mißlungenes Fest vorbereitet. Die Eröffnung der im Rahmen des Theatertreffens schon vor Taboris 80. Geburtstag am 24.Mai stattfindenden Ehrung nahm der Herr Kultursenator persönlich vor und überbrachte unpersönlich auch noch die Grüße des terminlich verhinderten Gastgebers und Akademiepräsidenten Walter Jens. Es folgte ein Film mit einem Potpourri goldener Worte des Gefeierten und Höhepunkten aus seinen Werken. Auf die Bühne hatte man ein repräsentatives Rokoko- Sofa gestellt, auf dem der zarte Greis in der Folge einsam eine eineinhalbstündige Gratulationstortur über sich ergehen lassen mußte.
Die handverlesenen Gratulanten ergriffen je eine der für sie bereitgestellten Rosen, erstiegen die Bühne, umarmten den Jubilar, der sich so mindestens hundertmal von seinem Sofa erheben mußte, und versuchten sich in Seligpreisungen Taboris gegenseitig zu übertreffen. Das gipfelt dann in Peinlichkeiten wie dieser: „Ich bin in meinem Leben zweimal geboren worden. Zuerst aus dem Samen meines Vaters und später aus deinen Tränen, die du an meiner Schulter vergossen hast, George. Ich liebe dich.“ Oder Hanna Schygulla, die, nachdem ihr Name im Zuschauerraum verklungen war, etwa zwei Minuten benötigte, um den weiten Weg auf die Bühne zu finden und dort zwei rote Rosen, „eine von mir und eine von deiner Mutter, die ich einmal sein durfte“, zu übergeben. Brecht-Tochter Hanne Hiob überbrachte keine Rose, sondern – richtig – eine rote Nelke. Doch: „Verdienst du sie auch?“ fragt sie den Gefeierten. Tabori, immer kleiner auf seinem Sofa werdend, zieht erst unschlüssig den Kopf zwischen die Schultern und entschließt sich dann doch zu schüttelnder Verneinung. Da die Gratulantin jedoch gar keine Antwort erwartet hatte, ließ sie sich von der Übergabe nicht mehr abbringen. Tabori war's recht.
Der schönste Teil des Festes, eine szenische Lesung aus Tabori-Texten unter anderem mit Michael Degen, Hanna Schygulla, Albert Hetterle und Peter Radtke, fand dann ohne George Tabori und einen Großteil der Gratulanten statt. Ersterer war erschöpft, die anderen erzielten im Dunkel des Zuschauerraums nicht mehr die gewünschte Aufmerksamkeit, so daß sie ebensogut nach Hause gehen konnten. Und die Rosen verwelkten auf der Bühne. Volker Weidermann
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