Sanssouci: Vorschlag
■ Samoanischer Gangsta-Rap: Boo Yaa T.r.i.b.e.
Wenn man sich die sonoren Männerstimmen des soulig-bodenständigen Chores anhört, könnte man Sehnsucht nach diesem fernen Land bekommen. Wie ein Siebziger-Jahre-Krimi- Soundtrack hört sich das an. Die Hügel scheinen in diesem Amerika ausschließlich zum Cruisen mit offenem Dach gebaut worden zu sein; man stellt sich vier freundliche Herren in gediegenen Anzügen vor, die irgendwo in einem Café in diese ventilatorgroßen Motown-Mikrophone singen. USA, wie wundervoll, Kalifornien, das Paradies. Aber hinein drängen sich garstige Worte wie „Death Row California“, es wird von umgeballerten Freunden und Rassismus und der Rache des „aufrechten“ Mannes berichtet. Sieht man dann auch noch die fünf schwergewichtigen Männer, die ganz groß „Samoa“ über ihre Brust tätowiert haben, in Reihe stehen und böse in die Kamera schauen, traut man dem Frieden schon lange nicht mehr. Boo Yaa T.r.i.b.e. oder auch die Devoux Family – die jetzt in L.A. wohnenden HipHopper sind alle weitläufige Verwandte –, gehören zu den Kreativen ihres Genres. Jedenfalls in ihrer Sparte des Gewerbes, und das heißt immer noch Gangsta Rap. Da lassen sich die mit Banküberfall- Masken und Mafia-Hüten ausgestatteten Jungs auch nicht die Butter vom Brot nehmen. Nein, Gangster waren sie und wollen sie auch weiterhin bleiben, trotz Soul-Elementen, Live-Auftritten mit Gitarre, Baß und Perkussion und gospelartigen Predigerliedern in ihrem Programm.
Der Vater der Kerngruppe war ein konvertierter Hells Angel, der zum Prediger wurde und den Kindern das Teufelszeug Musik verbat. Um diesem frommen Wunsch gerecht zu werden, hätte die Familie vielleicht wieder nach Samoa ziehen müssen, hier, mitten im Asphaltdschungel von Carson, dem Hardcore-South- Central L.A., lief alles ganz anders.
Mittlerweile, nach kurzen Aufenthalten in Japan, sind sie wieder zurück und augenscheinlich stark in die eigenen Familien- und vor allem die Musiknetzwerke eingebunden. Trotzdem können sie es nicht lassen, den King of the Ghetto rauszuhängen. Wo Public Enemy mit schwarzen Sheriffs im Hintergrund Ernst und Schärfe vermitteln, machen Boo Yaa T.r.i.b.e. mit ihren Instrumenten, Turntables und Mikros ihre eigene Hardcore-Rapshow. Und die ist schon allein wegen der ausgezeichneten Beats, den slowen Soulparts und den umwerfenden Stimmen der Priesterkinder nicht zu verpassen. Annette Weber
Heute um 20.30 Uhr im Marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg.
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