Sanssouci: Nachschlag
■ Spaßige Antifaschismus- Konferenz in der literaturWERKstatt
Die literaturWERKstatt in Pankow veranstaltete am Samstag eine Konferenz über die Aktualität des Antifaschismus, die mehr bot als den üblichen Antifa-Autismus. Die Aachener Hochschulprofessorin Antonia Grunenberg bestritt in ihrem luziden Referat, daß der Antifaschismus als gegenwärtige Strategie tauge, er verstelle, im Gegenteil, den Weg der Problemlösung. Auf seine Geschichte eingehend, legte sie dar, wie oft Antifaschismus stalinistisch instrumentalisiert und damit auch ineffektiv gemacht wurde. Das war der Moment, als es im Publikum erstmals rumorte. Auftritt Dieter Schlenstedt, Präsident des Ost-PEN. Was er lieferte, was das übliche ND-Kauderwelsch, vermischt mit geschichtsphilosophischen Spekulationen und einer Brise verlogener Emotionen, die suggerieren sollten, der Herr PEN-Präsident habe persönlich den Faschismus bekämpft. Nach Hermlin- und Komintern-Zitaten kam dann noch dies: „Wir können da ja mal 'nen Augenblick trauern.“ Und anstatt froh zu sein, daß Schlenstedt für dieses Geschwafel auch noch 500 Westmark als Vortragshonorar abfaßte, hub seine Frau an zu klagen, wie kalt und seelenlos doch Konsumgesellschaft, Geldherrschaft und Effizienz seien.
Ja, es ist schon ein Kreuz mit dem „ökonomischen kapitalistischen Expansionismus“. Das sagte aber nicht Frau Schlenstedt, sondern schon der Nazi-Apologet Carl Schmitt, genüßlich vorgetragen vom Literaturwissenschaftler Richard Herzinger. Während Wolfgang Templin mit seinem Vortrag über Antifaschismus – Linke – Nation leider etwas unter der Publikumserwartung blieb und zu wenig Konkretes bot, führte Herzinger die vereinten Antiwestler in diesem Land polemisch vor. Ob die DDR die Westverträge der Bundesrepublik in den fünfziger Jahren als „Superversailles“ und „nationalen Verrat“ geißelte oder sich Nolte und Walter Jens in der Beschwörung „des ganz anderen, des Dritten Weges“ treffen: die Grenzen zwischen rechts und links verschwimmen. Damit aber waren die Berufsossis ebenso wie die jungen Antifa-Kämpen im Publikum etwas überfordert.
Ausgerechnet ihr Günter Grass wurde ihnen madig gemacht. „Grass' Forderung nach einer deutschen Kulturnation statt staatlicher Einheit zeigte, wie entfernt er vom ernstlichen Verständnis eines Verfassungsstaates ist und wie stark auch in ihm die romantische Volkstumsidee eines Herder wabert.“ Ungläubige Gesichter und ein diabolisches Grinsen von Herzinger. Und zur Krönung: „Etwas lax gesagt: die Gegner der Wiedervereinigung sind viel deutscher als Helmut Kohl.“ Das Ehepaar Schlenstedt schlurfte davon, und ein kleinerer Teil des Publikums klatschte. Analyse und Spaß – so sollen Konferenzen sein! Marko Martin
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