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SanssouciVorschlag

■ „All in the Timing“ bei den Freunden der Italienischen Oper

Uhren ticken nicht richtig, Zeit und Raum verbiegen sich, alles zerfließt in unbegreifbare Dimensionen. Wörter verlieren ihre Bedeutung und erhalten eine neue. Verkehrte Welt: Wer kennt nicht das Gefühl, in ein tiefes „Philadelphia“ zu stürzen? Oder in ein „Cleveland“? Oder hat sich gewünscht, die Zeit zurückdrehen zu können, und wäre es nur für ein paar Sekunden? In sechs Einaktern macht der amerikanische Dramatiker David Ives das ständige Gefühl der Entfremdung gegenüber anderen und sich selbst zum Thema: „All in the Timing“ ist ein aberwitziges Spiel mit Möglichkeiten und dem Unmöglichen, ein Versuch, bestehende Ordnungen umzuwerfen und neu zusammenzupuzzeln.

Der englischsprachigen Theatergruppe Out To Lunch ist es zu verdanken, daß dieses Ende 1993 in New York uraufgeführte „fuckin' funny play“ nun auch in Berlin zu sehen ist. Kafka läßt hier augenzwinkernd grüßen und ist auch körperlich auf der Bühne vertreten: In „Words, Words, Words“ sitzt er mit Milton und Swift als Versuchsobjekt hinter Gittern. Die drei „Affen“ sollen ihren „Hamlet“ schreiben, statt dessen planen sie Ausbruch und Rache – die Dressur schlägt fehl. Ein etwas anderer „Bericht an eine Akademie“ und Hommage an das Absurde.

Voller Anspielungen und Zitate, ist jedes dieser „One Acts“ ein kleines Meisterstück für sich. Aus „Monty Python's Flying Circus“ scheint jener Leo Trotzki entliehen zu sein, der am 21. August 1940 mit einer Axt im Schädel auf der Bühne herumläuft und dann aus einer Enzyklopädie der kommenden 90er Jahre erfährt, daß er just an diesem Tage sterben wird – an den Folgen einer Kopfverletzung, die ihm ein mexikanischer Revolutionär mit einer Axt (!) beibrachte. Der Lexikoneintrag aus der Zukunft bewirkt – in verschiedenen Variationen durchgespielt – das, was die Axt bislang nicht vermochte, den Tod Trotzkis.

Dem vierköpfigen Ensemble von Out To Lunch (Gloeta Massie, Deborah Cocking, William Franke und Todd May) gelingen in der Inszenierung von Simon Newby-Koschwitz sämtliche Schattierungen der Komik, die Ives anzubieten hat, mit äußerster Präzision und Lust am Spiel. Trügerisch normal lassen die Schauspieler so manche Ausgangssituation erscheinen, in der sich dann Hawkingsche Löcher auftun, die ungeahnte Möglichkeiten bieten: Mann und Frau erhalten in „Sure Thing“ die Gelegenheit, ihre Sätze so oft aneinander anzupassen, daß sich der eigentlich schon im Ansatz gescheiterte Flirt schließlich doch erfolgreich anbahnt. In „Philip Glass buys a loaf of bread“ entsteht in einem kurzen Moment des Wiedererkennens eine ganze Oper vor dem inneren Auge der Beteiligten, die Glass in ihrer gelungenen Sprechchoreographie nicht hätte besser schreiben können. In „The Philadelphia“ und vor allem „The Universal Language“ führt Out to Lunch zungenbrecherisch Sprache ad absurdum. John Cleese ist das Synonym für Englisch („You speak John Cleese?“), „lick una munda da linkwa looniversal“ heißt die neue Sprache, die zwei einsame Herzen verbinden wird, et cinema et cinema. „All in the Timing“ ist die wohl ausgereifteste Produktion von Out to Lunch, leise, laut und zart und derb, von hier und aus anderen Welten. Get it on rock-'n-roll! Anja Poschen

Nächste Vorstellungen: 19.–21.1., 20.30 Uhr, Fidicinstraße 40.

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