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SanssouciVorschlag

■ Thomas Hirschhorns Bilderinstallation im Bethanien

Blick in die Ausstellung Foto: David Brandt

Zuviel oder zuwenig? fragt sich Thomas Hirschhorn hinsichtlich seiner Installationen immer wieder. Was seinen „Berliner Wasserfall mit Robert Walser Tränen“ anbelangt, möchte man ihn beruhigen – weder das eine noch das andere. Der junge, aber schon ziemlich bekannte Kunstkritiker Jan L. (der im übrigen eine Erfindung Ilja Kabakows ist) würde sagen, es handelt sich hier um „eine vorzügliche Installation“.

Die Metapher des Wasserfalls verlangt schon einiges an Material. Dieses ist bei Hirschhorn ephemer, billig; Alufolie von der ganz gewöhnlichen Küchenrolle, langgestreckte Rechtecke aus Pappe, Styropor, Teppichboden, resopalbeschichtete Holzplatten, Tischler- und Spanplatten, beklebt mit Bildmaterial aus auflagenstarken Illustrierten und schließlich in durchsichtige Plastikfolie verpackt. An der Längswand des Galerieraums hat Hirschhorn eine zweistufige Treppe aufgebaut. Die Wand selbst, die Treppenkonstruktion und der Boden sind mit der Alufolie verkleidet. Und darüber ergießt sich nun die Fülle der verpackten Rechtecktafeln bis auf den Boden. An der Stirnwand hängen fünf weitere Tafeln, durch zwei dicke Alufolienschnüre verbunden, die in einer dicken Tropfenform enden: Die Tränen Robert Walsers. Thomas Hirschhorn stammt aus der gleichen Gegend wie Robert Walser, er ist gebürtiger Berner. Die Hommage an den Schriftsteller, der von 1906 bis 1912 in Berlin lebte und hier seine „Geschwister Tanner“, den „Gehülfen“ und „Jakob von Gunten“ schrieb, ist für Hirschhorn Anlaß, der strengen Konstruktion seines Wasserfalls armseliger Sinn- und Sachfragmente eine irgendwie unpassende, wie er selbst sagt, „unreine“ Fortsetzung oder „Wucherung“ zu geben.

Überhaupt scheint es der ebenso massive wie unreine, schrottige Erguß von Werbebildern, Focus-Grafiken und Reportagefotos über Krieg und Tod zu sein, der sich sauber geordnet zu einer denkwürdigen Form fügt. Zu einer Pracht, die sich unserer zerstreuten Aufmerksamkeit für diese allzu bekannte tägliche Bilderflut entgegenstellt, sie aber auch in Klebeband- und Kugelschreibermarkierungen bestätigt, die nach einem ähnlich zerstreuten Vorgehen aufgebracht wurden. Brigitte Werneburg

Thomas Hirschhorn: „Berliner Wasserfall und Robert Walser Tränen“, bis 5.2., Di.–So., 14–19 Uhr, Künstlerhaus Bethanien. Am 27.1. werden um 19 Uhr Videos von Hirschhorn gezeigt.

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