Sanssouci: Nachschlag
■ Erotisches Tanztheater von Wolfgang Mentzel in der „Pumpe“
42 Menschen vor, hinter und auf der Bühne, ein kitschpreisverdächtiger Titel („In einer blonden Nacht galoppieren .../ Erotisches Tanztheater“) sowie Pillen am Entrée, die aphrodisische Potenz versprechen – ich hätte mißtrauischer sein sollen. Wenn Sie ein sensibler Mensch sind, müssen Sie viermal noch die „Pumpe“ meiden. Oder Sie haben Lust auf ein Geburtstagsständchen für Baghwan. Lassen sich quälen durch präpubertäre Seniorengymnastik, zerhäckselt von Wolfgang Mentzel („künstlerische“ Leitung) in fünf schwer verdaulichen Brocken. Die Phantasie muß mit Mentzel durchgegangen sein, erkennbar am Titel der ersten Szene („Number one“). Die vier folgenden stehen ihr an Einfallsreichtum in nichts nacht („Augen fallen tief ins Meer“, „Maria durch ein Dornwald ging“, „Sechs zu eins“, „Die Nacht ist dunkel ohne einen Kuß“). Eklektisch- eindimensional kompensiert Mentzel sein Unvermögen durch einen Griff in die Wundertüte Klischee und findet sich dabei auch noch witzig. Dabei stimmt nichts. Zu Beginn zeigt der deutsche Juniormeister im Bodybuilding das Ergebnis einer Siebentagewoche im Fitness-Studio. Dazu existentialistischer Jazz vom Band. Außerdem fallen Mentzel zum Thema Erotik noch Frauen ein, die einem männlichen Torso kindlich kichernd Scham und Schenkel zeigen. Wenn Mentzel schon nichts zu sagen hat, sollte man sich doch wenigstens an der Form erfreuen können. Aber, ach!, wie in jedem drittklassigen Off-Theater haben die Laien ihre „Leiser“-Schuhe noch an, wo die immerhin vier Maskenbildnerinnen ihre Kreativität austoben, kommt ein „Woolworth“- Fasching heraus, ein Mix aus Achtziger-Jahre-Streifen-Jeans und Spiegelsplitter-Jacken. Ein einziges Clockwork Orange und Ich- will-hier-raus! Am unerträglichsten sind die Frauen und Männer, von denen der Programmzettel behauptet, es seien Tänzerinnen und Tänzer. Sie stehen oft rum wie vergessen und nicht abgeholt, bewegen sich zuweilen auch, aber Tanz kann man das nicht nennen. Keiner besitzt ein Gefühl für den eigenen Körper, so fassungslos dilettantisch lassen sie Schultern und Gesichtszüge hängen. Ein bißchen Eurythmie, ein bißchen Bewegungstherapie, und über allem ein „Wir-lieben-uns-alle“. Es war zum Kotzen. Thorsten Schmitz
Heute und 23., 24. und 25. März, 21 Uhr, „Pumpe“, Lützowstraße 42, Schöneberg.
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