Sanssouci: Nachschlag
■ Diverse Arrangements von Paul Armand Gette im Podewil
Ein großes graues Granitei thront auf einem niedrigen weißen Podest. Rosarote Farbadern durchziehen den gewaltigen Findling. Das ist das erste Bild beim Eintreten ins Foyer des Podewil, das Paul Armand Gette, der konkrete Poet der 60er und Spurensicherer der 70er Jahre, für seine Ausstellung „Exotisch – Erotisch – Erratisch“ inszeniert hat. Wohl auch das einzige, auf das der Titel zutrifft. Es folgen vier Vitrinen mit kleinteiligen Souvenirs, Fotos, Objekten und Zeichnungen von Gette, was im Kunstbetrieb nicht unbedingt exotisch noch erotisch ist.
Gette nennt sich einen „Arrangeur von nicht allzu großen Dingen“, der nichts so sehr verabscheut wie das Übermäßige in der Kunst. „Wenn es allerdings um die Leidenschaft geht, entzücken mich die größten Exzesse.“ Das klingt verheißungsvoll – aber ist die Obsession für ein gewöhnliches rosarotes Spitzenhöschen, das als unberührtes Realobjekt auf einem Quadrat Kunstrasen liegt oder auf ein T-Shirt und eine Postkarte gedruckt ist, ein Exzeß? In Zeiten, in denen man in Japan benutzte Frauenunterwäsche aus dem Automaten ziehen kann? Und ist es nicht einfach doof, dieses Arrangement „Göttinnenslips“ zu nennen? „Die Bäder der Nymphe“-Vitrine ist ähnlich aseptisch. Ein rotes Frotteehandtuch birgt in seinen dekorativen Falten einen Strauß weißrosafarbener Plastikrosen, drei Fotos zeigen ein Set Plastikseerosen in verschiedenen Bidets, ein Foto zeigt ein Röschen im Schritt des kindlichen Modells, ein Höschen hängt über der Badewannenarmatur. Höschen, Röschen, Mädchen, ich verstehe das Ganze nicht. Wahrscheinlich ist es eine Generationenfrage. Kleine Mädchen gehen heute in Janet-Jackson-Konzerte und fragen: „What have you done for me lately?“ Günther Metkens Ausführungen, Gettes Ausstellungen seien raffiniert angeordnete Suiten, „in denen taktile und visuelle, farbige und gedankliche Eindrücke miteinander abwechseln, (die) sich nach distanziertem Anfang zu kühler Leidenschaft steigern“, um im „magischen Dreieck der Frau“ zu münden, erscheinen da auch nur als rosarote Nebelwolke irgendwie altväterlich erotischer Träume. Aufwachen, möchte man sagen. Hinschauen, sehen, daß die Frauen das „magische Dreieck“ vom Kopf auf die Füße, von der Spitze auf die breite Basis gestellt haben, ihren Rock vorne bis zum Bund aufgeschlitzt haben und den Slip in aller Öffentlichkeit zur Schau stellen. Der als „autorisierter Voyeur“ beschriebene Paul Armand Gette ist der enteignete Voyeur. Brigitte Werneburg
Bis 5.4., Mo.–Fr. 8–22, Sa. 12–22 Uhr, Podewil, Klosterstr. 68-70
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