Sanssouci: Vorschlag
■ Rasch auf dem Kinderrad zu Herman van Veen in die HdK
„Gestern ist eine Frau auf die Bühne gekommen, um ihrem Freund einen Heiratsantrag zu machen“, erzählt Herman van Veen. Schon viel ist ihm in seiner dreißigjährigen Karriere passiert, aber das war eine Premiere. Herman ist gerührt. Er sitzt im Konferenzsaal des Steigenberger, vor ihm brötchenmampfende JournalistInnen. Am Eingang wird einem die neue CD in die Hand gedrückt, und jetzt gibt's Herman auch noch zwischen Buchdeckeln. „Zuerst meinten die vom Christoph Links Verlag, das klingt vielleicht komisch, wenn jemand im Buchladen fragt: haben Sie Ein zärtliches Gefühl?“ Ein Werk für Fans: Liedertexte der letzten 25 Jahre auf 250 Seiten. Van Veen, der sich für Sänger und Clown in einer Person hält, ist auch Produzent und Konzertarrangeur. Für sein sarkastisches Element läßt er sich seit '89 allerdings von Heinz Rudolf Kunze mit Versen beliefern.
Abends sitzt man gespannt im Konzertsaal, denn van Veen ist, bei aller Gefühlsduselei, bekannt für Überraschungen. In Therapeutenmanier fragt er schon mal jemand im Publikum: „Wie fühlst du dich jetzt?“ Ein Journalist muß sich fragen lassen, ob er das verstanden habe, „daß die Geschichte sich wiederholt“. Das jedenfalls will van Veen ausdrücken, mit seinem neuen Lied „Messerschnitt“. Auch unser Clown muß nun ein Nazi-Liedchen singen, geschrieben vom Kunze. Die Bösen sind die anderen: „Sie wollen Messerschnitt. Sie fragen nach meiner Gesinnung und stinken nach Bier vor dem Spiel.“ Danach folgt ein Kurt- Weill-Lied, verstehst du das? Die älteren Ladies mit den Faltenröcken und die Familie vor mir in der HdK lachen, wenn Herman einen Witz macht oder singt: „Echte Männer pinkeln im Stehen, echte Männer lieben ihre Mutter, echte Männer heißen Herman.“ Und: „Es war gut im Bauch meiner Mutter.“ Dann sagt Herman aber erst mal was über die Klimakatastrophe. Danach wird Poesie produziert, und wenn wir nicht aufpassen, haben wir plötzlich auch ein „Gefühl“: Herman und seine sparsame Zwei- Mann-Band mit Saxophon und Klavier lassen den großen Mond am Bühnenhimmel aufgehen, es regnet Konfetti, Herman tänzelt wie eine unbeholfene Elfe herum, er fängt die Schnipsel mit einem umgedrehten Regenschirm ein, schüttet sie in seinen großen schwarzen Hut und setzt ihn auf. Herman ist jetzt 50, seit über der Hälfte seines Lebens sitzen abends Menschen mit glänzenden Augen vor ihm und warten auf „ein zärtliches Gefühl“. Andreas Becker
Noch heute und morgen und übermorgen, 20 Uhr, Hochschule der Künste, 20 Uhr, Hardenbergstraße 33, Charlottenburg
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