Sanssouci: Vorschlag
■ Machen den Metal weniger peinlich: Love/Hate im Huxley's
Lohnt es sich, den Gitarrennudler Yngwie Malmsteen oder die 08/15-Metaller Rage zu ertragen, ja sogar Saxon oder Blind Guardian, nur um Love/Hate zu sehen? Um ehrlich zu sein: jein.
Immerhin versuchen Love/Hate seit nun ungefähr zehn Jahren recht erfolgreich den Spagat zwischen zeitgemäßem Metal und den düsteren Versprechungen eines längst nur noch als Zombie erhaltenen Rock 'n' Roll. Während sie sich selbst gern in Shorts und sonstigem Skater-Outfit präsentieren, schwärmen sie in Interviews von den alten Helden, von Keith Richards oder Ozzy Osbourne, weil die überlebt haben, was einen „umbringen kann“, die Sex & Drugs & Rock 'n' Roll.
Die anderen, die das Zeitliche gesegnet haben, haben vorgemacht, wo die in den 60ern begonnene Reise notgedrungen zu enden hat. Diese Mythen schwirren immer durch die Köpfe der vier Los Angelinos, aber nur noch als Klischee, das man sich überstreifen kann wie eine Maske. Und genauso schnell wieder ausgezogen hat. Aber bei Love/Hate ist diese Berechnung immerhin ironisch gebrochen. „Sometimes things get a little crazy / Especially when you're livin' like you wanna die“, dichten sie auf ihrer neuen Platte, und man merkt, daß sie nicht von sich sprechen, sondern ein Bild aus untergegangenen Zeiten nacherzählen. Alles eine Frage der Verkäuflichkeit – schließlich versucht man auch nur seinen Schnitt zu machen und ein paar Platten mehr zu verkaufen, das Leben in L.A. ist schließlich teuer genug.
Man kann es natürlich auch einfach Respekt nennen. Und der führt bei Love/Hate dazu, sich recht konsequent den metalmodischen Geschwindigkeits- und Härteverdikten zu widersetzen. Eigentlich sind sie nur noch eine Band mehr auf der Suche nach dem guten Song, aber bei ihnen kommt glücklicherweise alles voller Überzeugung aus zweiter Hand, was ihnen die Möglichkeit gibt, sich neben den abgesicherten Knüpplern und Balladen den einen oder anderen dezenten Scherz zu erlauben. So machen sie pünktlich zum Beatles-Revival aus „I am the Walrus“ einen Karnevalshit. Und „Ola Mola“ klingt doch tatsächlich so, als hätten sie Adriano Celentano als Gaststar verpflichtet.
Doch das Beste an ihrer Abgeklärtheit ist, daß sie aus allen Mainstream-Metal-Welten das Schönste nehmen, den Schmalz von Bon Jovi, den Boogie von Guns N' Roses, manchmal sogar den trockenen Blues von AC/DC, aber all den überflüssigen Zierrat, die Fingerzupf-Intros und das andere Kunstgewerbe, weglassen. Ihr einziges Verdienst ist es, Metal nicht mehr so peinlich erscheinen zu lassen, wie er es über weite Strecken verdient hat. Das wird um so deutlicher werden an einem solchen Abend zwischen all diesen anderen Bands. Thomas Winkler
Love/Hate mit Blind Guardian, Saxon, Yngwie Malmsteen, Rage, Skyclad. Heute, 21 Uhr, Huxley's, Hasenheide 108–114
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