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SanssouciRundumschlag

■ Einkaufen, Folge 14: Ikea und andere praktische Dinge

Ikea war früher neben McDonald's das schönste Ausflugsziel. Zunächst ließ ich mich gerne im „Kinderparadies“ abgeben. Schon eine Stunde später aber wollte „der kleine Jörg“ dringend aus dem brusttief mit Plastikbällen gefüllten Aquarium befreit werden. Schüchtern hüpfte man sich dann durch die Sofas, während die Eltern schwer an ihrer Kaufentscheidung trugen.

17 Jahre danach: Der Bus schwankt vorbei an geduckten Datschen und düsteren Nachkriegshäuslein, bis endlich Waltersdorf, Gewerbegebiet hinterm Kiefernwald, auftaucht. Die Welt des Probewohnens: Hier das sozialdemokratische Konsens-Heim mit viel Holz, dort in Maßen geschmackvolles „junges Wohnen“. Hier „verrückte“ Stahlmöbel und eine Zeitungstapete, die auf künstlerische Bewohner schließen läßt, dort bescheidene Bürgerlichkeit. Picasso-Poster an allen Wänden, aber nirgends ein Strumpf unterm Bett. Morgensonne gibt's nur im Katalog, hier sind alle Jalousien heruntergelassen. Unheimlich, wenn man hinter der Wand ein Schnaufen und Ächzen hört. Bricht gleich ein Elch durchs Rigips? Nein, es ist Möbelfakta, der Sesseltester, der unermüdlich stampfend seine Stahlarme in die Polster stößt. Den Weg zum Schubladenelement „Helmer“ säumen Dinge, die praktisch, aber vollkommen überflüssig sind. Ein ausgefeiltes System von Sondermüllbehältern, eine „Schlipsverwaltung“ für 5 Mark, ein Video-Schloß, die Stehhilfe „Melker“ und jede Menge Design-Weihnachtsmänner. Jeder Kauf spart Geld, da anderswo alles teurer ist. Am Bistro hinter der Kasse profitieren wir noch vom Lachssandwich-Schlußverkauf, während die gutgelaunten Möbelverkäufer in den Feierabend starten. Jörg Häntzschel

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