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SanssouciNachschlag

■ Laut hüpfen auf deutsch: Die Fantastischen Vier im Huxley's

So melancholisch, wie es eben geht Foto: Roland Owsnitzki

Eigentlich klar: Ein Popkonzert sollte ein vornehmlich körperliches Erlebnis sein – Schweiß, Pogo und pathetische Gesten. Bei den Fantastischen Vier, die auf ihrer letzten CD, „Lauschgift“, etwas verkrampft immer wieder den Kopf für konsumkritische Reime oder sonst eine fantastische Rap-Filosofie bemühen, hätte man allerdings ruhig etwas Angst haben können: daß man in einer Veranstaltung landet, bei der die deutsch parlierenden und jubilierenden Hauptakteure wieder einmal zwischen Humor und Hirn, zwischen „neuer deutscher Spaßkultur“ und verbohrtem Abiturienten-Weltschmerz hin- und herschwanken.

Doch dann, am Montag abend im Huxley's, war alles anders: Die Mädchen schwitzten, die Jungen tanzten sich zu Chartbreakern die Nasen blutig, und wenn es darauf ankam, hüpften alle HipHopper gemeinsam in die Luft. Sport tut gut: nicht nur den müden Beinen zum Wochenanfang, sondern vor allem den schläfrigen Lyrics: Konsum („Klink dich ruhig aus!“), Liebe („...sucks“) oder einfach nur das Individuum in der modernen Gesellschaft („Ich bin wie die andern“). Die Messages gehen dankenswerterweise in den ersten Loops aus dem Fanta-Sequencer unter. Die zurückhaltend groovenden Begleitmusiker erledigen den Rest. Die Breaks sitzen da, wo sie hingehören, die Snare knallt, und irgendwelche Maschinen lassen die Bässe so tief durch die Halle wummern, daß einem die Nasenflügel zittern.

Da gibt es ein paar Hit-Hymnen à la „Was geht“ und natürlich „Sie ist weg“. Ansonsten scheint man sich bei der sogenannten deutschen Erfolgsband seinem Chartpublikum nicht sonderlich verpflichtet zu fühlen: „Zu geil für diese Welt“ oder „Die da!?!“ sind nicht im Programm. Auch in der Popwelt muß man mal vergessen können, und die Fantastischen Vier machen es einem einfach. Statt eines bunten Potpourris der schönsten Erfolge also ein reeller Durchgang durch die neue CD plus sperrigen Materials aus den Vorgänger-Werken. Das belegte „Ein Tag am Meer“: Die Schwaben inszenieren es als flaschengrün wabernden Strandspaziergang – so melancholisch, wie es beim HipHop eben geht. Später dann der „Krieger“, eine düstere Atmo-Nummer aus „Lauschgift“, die sich über den eindringlichen Sound langsam, vom Knochengerüst angefangen, in die Seele vorarbeitet. Sänger Thomas stilisiert sich dazu martialisch in einem spacigen Lichtkegel, die Fans hüpfen, wippen, brüllen und schwitzen: Popmusik, auch aus Deutschland, auch ohne indie credibility, auch in ausverkauften Hallen, kann nett sein. Kolja Mensing

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