Samsung warnt vor eigenen Geräten: Komm, setz dich, mach's dir bequem
Geräte mit Internet funken auch in die andere Richtung. Was für Daten sie über uns sammeln und verteilen – und warum uns das trotzdem antörnt.
Die Aufregung in dieser Woche war groß: Schaut her, Samsung warnt seine Kunden selbst davor, auf dem heimischen Sofa allzu privat zu werden.
Aufschrei: Nicht mal vor dem Fernseher ist man mehr allein? Nein, denn die Spracherkennung ist auch im Wohnzimmer angekommen. Und das Gesagte wird wieder an den Hersteller zurückgefunkt – zumindest dann, wenn das Gerät gerade im Einsatz war. Was der Fernseherbesitzer aber natürlich hätte wissen müssen. Schließlich stand das irgendwo in den elend langen Nutzungsbedingungen, die er ganz sicher von A bis Z gelesen hat, bevor er ihnen per Häkchen zustimmte.
Brandneu ist das nicht: Auch Geräte wie Amazon Echo schneiden Dialoge in den vier Wänden mit – um blitzschnell anzuspringen, wenn ihre Dienste benötigt werden. Spielekonsolen wie die Xbox One überwachen und interpretieren zusätzlich die Körperhaltung auf der Couch. Auch Smartphones schicken Sprachbefehle ihrer NutzerInnen oft zur Analyse an die Zentrale oder holen sich im Internet zumindest die passenden Antworten ab. Fragen Sie doch mal Siri.
Fairer Handel im Gegenzug zum Verlust von Privatheit?
Smart werden SmartTVs, wie die Branche ihre Hybridkonstruktionen aus Empfängern und Sendern nennt, eben durch genau diesen digitalen Anschluss an die Welt. Hier holen sie sich Filme ab, hier verbinden sie sich auf Wunsch auch mit sozialen Netzwerken.
Die Belohnung? Bequemlichkeit, Service, personalisierte Empfehlungen. Die Frage, ob das ein fairer Handel im Gegenzug zum Verlust von Privatheit ist, stellt sich hier ebenso wie bei vielen anderen mit dem Internet verbundenen Gegenständen des Alltags – von der vernetzten Topfpflanze bis hin zum Smart Grid, der effizientere und vielleicht sogar kostengünstigere Energieversorgung verspricht.
10 Jahre Youtube: Wie die Videoplattform im Internet zur lukrativen Bühne für Profis und Jungsstars wurde, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 14./15. Februar 2015. Außerdem: Dupsy Abiola hat einen berühmten Vater, ein Start-up-Unternehmen und Visionen. Ein Gespräch über die damit verbundenen Freuden und Abgründe. Und: Was Wirtschaftsunternehmen an Universitäten anrichten, wenn sie Geld an Einfluss knüpfen. Hochschulwatch ist angesagt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Dieses sogenannte Internet of Things umgibt uns längst – und verrät allein über unseren Verbrauch von Strom und Wasser jede Menge über unseren Tagesablauf. Unangenehm intim, irgendwie. Aber zunehmend technischer Standard.
Ebenso wie der internetfähige Fernseher. Seine Zeit als passive, dumme Kiste ist vorbei. Wer sich davor fürchtet, der muss eben den Stecker ziehen. Wenigstens den zum Internet.
Autos mit Kontrollfunktion
Wer jemals ein paar Kilometer in einem Auto der Zukunft gefahren ist, weiß: Bald übernehmen sie die Weltherrschaft. So viel Kontrolle üben sie bereits aus, so unabhängig sind sie – programmiert, uns zu verbessern, wenn wir versagen. Beim Abbiegen das entgegenkommende Motorrad übersehen? Schon piepst es los im Wagen, das Lenkrad vibriert, die Bremse löst aus. Schlimmeres verhindert – danke, Robocar. Herr der Lage ist der Mensch in diesen Fahrzeugen im Zweifelsfall nicht mehr.
Bei dieser Kontrolle des Fahrverhaltens sind vor allem Sensoren am Werk. Bis zu 80 Steuerungssysteme überwachen in neuen Autos permanent die Performance von Fahrer und Fahrzeug – und legen viele dieser Daten auf internen Speichern ab, zumindest zwischenzeitlich. Daten, die die Rekonstruktion von Unfällen durch Gutachter selbstverständlich erheblich erleichtern. Autohersteller geben aber auch weiter: Sie statten neue Modelle mit Funkchips aus, die Daten wie etwa Position und Geschwindigkeit an Leitstellen durchgeben.
Im Rhein-Main-Gebiet wurde in den vergangenen Jahren gar eine ganze Versuchsflotte für diese „Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation“ bestückt, damit die Verkehrszentrale Ordnung in das Durcheinander auf den Straßen bringen kann. Das schafft Sicherheit, weil sich dabei alle Fahrzeuge unbemerkt gegenseitig auf dem Laufenden halten. Und es soll sogar anonym funktionieren.
Datenschützer alarmiert
Das ist noch nicht alles: Neue BMWs funken Vertragswerkstätten an, wenn die Bremsbeläge heruntergefahren sind und ausgetauscht werden müssen. Seit 2015 muss jedes Auto einen Art Funk-Airbag haben: Im Falle eines Unfalls sendet das eCall-System automatisch Notrufe ab.
Auch erste Versicherungen steigen in das Geschäft mit Autofahrerdaten ein: Wer sich freiwillig eine Blackbox in sein Fahrzeug installiert, kann unter Beweis stellen: Hält er sich stets an Tempolimits? Fährt er besonnen? Wer ohne Tadel bleibt, dem winken im Gegenzug für die Preisgabe des persönlichen Fahrverhaltens Rabatte.
Messen wir Autos bald auch an ihrer Datensparsamkeit? Datenschützer sind jedenfalls längst alarmiert.
Ein kleiner Computer auf der Nase
Was haben sich Juristen bereits die Hände gerieben: Schicke Hightechbrillen mit eingebauten Kameras wie „Google Glass“ könnten spontane Schlägereien auslösen, wenn sich in Fußgängerzonen, in Stadien und an Trinkhallen jemand beobachtet fühlt. Technik einfach nicht benutzen, um Überwachung abzuwehren – das ist eben schon lange nicht mehr genug.
Abenteuerlustige und Unternehmer haben wiederum frohlockt: Eine Brille, mit der sich NutzerInnen zugleich einen kleinen Computer auf die Nase setzen, könnten helfen – bei der Navigation durch Freizeitparks, den Großstadtdschungel, durch verwinkelte Lagerhallen.
Nebeneffekt: Durch die Brille auf der Nase würde die Google-Brille, ins Netz verbunden übers Smartphone, natürlich nicht nur Suchanfragen, Positionsdaten und alles andere verpetzen können, was Handys schon heute längst mitschneiden. Sie hätte über die Kamera auch theoretisch jederzeit Zugriff auf die Welt, wie ihre Nutzer sie sehen, solange das Gerät getragen wird – und unabhängig davon, ob der Nutzer selbst die Kamera nun aktiv eingeschaltet hat oder nicht.
Viel wurde in den vergangenen Jahren über die Folgen der Brille diskutiert – meist irgendwas zwischen Revolution und Weltuntergang. Inzwischen ist aber klar: So schnell wird aus Google Glass als Massenprodukt nichts. Der Suchmaschinenkonzern setzt noch mal neu an mit der Entwicklung seines einstigen Prestigeprojekts, hat jüngst angekündigt, es von seiner Forschungsabteilung in eine klassische Abteilung auszugliedern. Eine zweite Version soll es richten – irgendwann. Das Gerangel auf offener Straße gibt’s dann später.
Smartphones: Fast unbegrenzter Datenabfluss
Internetanschluss plus Mikrofon plus Kamera plus GPS-Sensor: das Smartphone ist zweifellos der König unter den Datensammlern. Es regiert so selbstverständlich unseren Alltag, dass die meisten Besitzer den Gedanken daran, wie viel sie ständig allein über ihr liebstes Kommunikationsgadget von sich preisgeben, von vornherein einfach verdrängen.
Bestückt mit beliebten Apps, kann der Abfluss an persönlichen Daten schier unbegrenzt sein: Wo waren NutzerInnen wann? Mit wem haben sie sich für wann verabredet? Mit wem kommunizieren sie regelmäßig über welche Kanäle? Wonach suchen sie? Wen finden sie attraktiv, wen tindern sie lieber weg?
Wem das nicht gefällt, dem stehen natürlich die üblichen Gegenmaßnahmen offen: Datenschutzeinstellungen hoch, wenig Apps runterladen, und wenn, dann wenigstens datensparsame wie den Messenger Threema. Und überhaupt: Wozu Apps, wozu ein Smartphone? Ach so, stimmt ja: Es ist irre bequem. Unser halbes Sozialleben organisieren wir darüber. Wir haben uns so daran gewöhnt, dass wir ohne Smartphone richtig Phantomschmerzen bekommen. Zur Hölle mit der Privatsphäre!
Intelligente Uhren
Noch hängt sie am Tropf, die Smartwatch: Das Handy weist ihr den Weg ins Internet, per Funk. Wer schon Computer in der Hosentasche verachtet, wird sich wohl auch keinen weiteren um sein Handgelenk wickeln. Für die Fans der permanenten Vernetzung aber sind die kleinen Geräte, die immer mehr Hersteller auf den Markt werfen, zumindest ein witziges Spielzeug.
Der Chat per Handgelenk, das wirkt schon wie ein Gimmick aus der Zukunft. Dabei können intelligente Uhren noch viel mehr: Puls, Körpertemperatur und andere Vitaldaten überwachen etwa, für Leute, die mit ihrer Fitness prahlen wollen – oder auch für die, die ein derartiges Monitoring gesundheitlich tatsächlich nötig haben.
Klar ist: Über das Smartphone funkt auch die intelligente Armbanduhr nach Hause oder gleich in die weite Welt hinaus. Das kann auch sein Gutes haben: Ein Start-up, das es Paaren ermöglicht, ein virtuelles Tagebuch zu führen, bietet nun auch an, ihren Pulsschlag per Smartwatch abzugleichen. Die vibrierende Uhr schafft so auch über Distanzen hinweg ein Gefühl von Nähe. Verrückt!
(Mitarbeit: mla)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“