■ Samstag, Männer und Kleiderkauf: Von Stockwerk zu Stockwerk
Ich gehe ja immer mit. Samstag morgens möglichst bald aus dem Haus. Frühstücken kannst du später. Damit genügend Zeit bleibt, bis die Geschäfte schließen. Plural, versteht sich.
Männer wissen genau, wo sie eine Hose und ein neues Paar Schuhe kaufen wollen. In diesem Laden, in dieser Straße, nicht irgendwo in einem von zwanzig über die Stadt verteilten Läden. Und wenn sich der Kauf nicht binnen zehn Minuten abwickeln läßt, ist die Sache für einen Mann ohnehin erledigt. Von wegen, sich in fünf meist zu enge Leinenhosen zwängen. Notdürftig von einem lappigen Vorhang verdeckt in videoüberwachten Garderobeabstellkammern, wo die Spiegel zu hoch und die Haken zu niedrig hängen, wo die bundgefalteten Hosen alle auf einmal von diesen neumodischen Bügeln rutschen und wo alle zwei Minuten wildfremde, transpirierende Menschen hineinstürmen und sich mit einem „Ach, ich dachte, hier ist frei“ nur widerwillig entfernen. Nein, mit mir nicht.
Frauen hingegen macht das gar nichts aus. Erst vom fünften Laden an aufwärts macht Kleiderkauf ihnen Freude. Ich gehe, wie gesagt, immer mit. Von Stockwerk zu Stockwerk. Laß uns doch einfach mal schauen. In rasender Geschwindigkeit lassen Frauen die Objekte auf den Kleiderständern durch die erregten Hände gleiten. Dutzende von Hosenanzügen, von herabgesetzten Blusen und Westen werden mit messerscharfem Blick geprüft. Ein Abstecher zu den Strümpfen. Und hier flink reinschlüpfen, damit die armen Lederjäckchen nicht den ganzen Tag unbewegt bleiben. Alles ohne zwingendes Kaufinteresse.
Komm, wir gehen noch mal nach unten. Aber natürlich – kaum habe ich einen dieser viel zu seltenen Plastikstühle ergattert, mit einem Leidensgenossen einen verständigen Blick getauscht, kaum an ein lauschiges Straßencafé und an das dringend benötigte frisch gezapfte Pils gedacht, geht es wieder vier Rolltreppen abwärts, auf denen man links nicht stehen darf, weil einen sonst Halbwüchsige mit ihren Sportgeräten herunterstoßen. Wäre mir allmählich auch egal. Ich würde unten liegenbleiben, mich von Sanitätern abtransportieren lassen. Ruhe für heute. Eine Woche reicht, um die Verletzungen auszukurieren. Damit ich nächsten Samstag wieder fit bin. Rainer Moritz
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