Jungstar Saïd El Mala beim 1. FC Köln: Wilde Fantasien
Der 1. FC Köln steht vor dem Pokalduell gegen den FC Bayern. Dabei geht es auch um den Hype des 19-jährigen Stürmertalents Saïd El Mala.
Als Lukas Kwasniok Anfang des Monats über Saïd El Mala sprach, kam ihm ein interessanter Vergleich in den Sinn. Die Situation des bereits nach wenigen Bundesligaminuten auf die höchsten Gipfel des Fußballplaneten gehievten Teenagers sei „vergleichbar mit der ersten Liebe“, sagt der Trainer des 1. FC Köln. Er habe immer wieder talentierte Jungs gesehen, „die sich mit 14 das erste Mal verlieben“. Das habe ganz häufig Brüche in den Karrieren zur Folge, die teilweise nicht mehr zu kitten wären.
An genau so einem Punkt befindet sich auch der 19 Jahre alte El Mala vor dem Pokalspiel gegen Bayern München. Nicht aufgrund eines Mädchens, sondern weil er penetrant mit der Aussicht auf Reichtum, auf Ruhm und eine Traumkarriere konfrontiert wird.
Wenn der gebürtige Krefelder sein Handy einschaltet, spülen seine Social-Media-Algorithmen mutmaßlich diesen stetigen Strom von El-Mala-Nachrichten an, die zigtausendfach kursieren: Weltklub X sei interessiert, Experte Y schwärmt, Transferjournalist Z nennt Zahlen und die Community hantiert mit Superlativen. Kwasniok ist also in Sorge, aber einen schlüssigen Plan für den Umgang mit dem Wahnsinn hat er nicht. „Saïd hat ein Talent, aber was passiert, ist nicht im Interesse des Spielers, und wir können ihn da nur in begrenztem Maße schützen“, sagt der Trainer.
Die Idee, El Mala langsam aufzubauen, ist kaum umsetzbar. Dafür ist dieser Fußballer einfach zu gut. Wenn der Dribbler vom linken Flügel auf dem Platz auftaucht, ist er bisher immer ein Faktor, jeder seiner Treffer war ein kleines Kunstwerk. Inzwischen sagt Kwasniok selbst: „Machen wir uns nichts vor. Wir wissen, dass er wahrscheinlich nicht die nächsten 15 Jahre hier spielen wird. Wir müssen ihn behutsam aufbauen – und irgendwann unfassbar teuer abgeben.“
Zweifel in Gladbach
In Gladbach wurden Saïd El Mala und sein 14 Monate älterer Bruder Malek 2021 noch aussortiert. Die beiden waren zu schmächtig, die Verantwortlichen bei der Borussia bezweifelten, dass diese Jungs das für den Profibetrieb erforderliche Durchsetzungsvermögen entwickeln. Der damals 16 Jahre alte Malek musste seinen schwer enttäuschten Bruder Saïd überreden, überhaupt weiterzuspielen.
Gemeinsam schlossen sie sich dem TSV Meerbusch im Grenzbereich zwischen dem Rheinland und dem Ruhrgebiet an, ein Glücksfall: „Als wir nicht mehr im NLZ gespielt haben, waren wir häufiger mit Freunden nach der Schule noch zusätzlich zum Vereinstraining auf dem Bolzplatz“, hat Malek dem Kölner Vereinsmagazin Geißbock-Echo erzählt. „Da konnten wir uns ausprobieren, viel dribbeln und in Eins-gegen-eins-Situationen gehen.“
Die Brüder waren in dieser Zeit gut sichtbar für alle Schalker, Dortmunder, Düsseldorfer, Kölner, Gladbacher und Leverkusener Talentscouts. Aber Viktoria Köln „war der einzige Verein, der in uns etwas gesehen hat“, sagt Saïd El Mala. Nach dem Wechsel ins dortige NLZ dauerte es nicht lange, bis er noch als U19-Spieler seine ersten Einsätze bei den Profis in der dritten Liga hatte. Während seines vierten Spiels traf er mit einem Schuss von der Torauslinie, „da musst du ja verrückt sein, von dort auf die Idee zu kommen, aufs Tor zu schießen“, sagte der damalige Trainer Olaf Jansen. Jetzt wurden doch auch andere Klubs aufmerksam.
Vergleich zu Podolski
Die Kölner boten Saïd eine Perspektive bei den Profis. So landeten die Brüder beim FC. Malek spielt in der U21 in der Regionalliga, während Saïd seine Reise ins Leben eines Stars begann. Die beeindruckenden Auftritte bei der U19-WM im Sommer waren eine Art Apero, nach zwei Kurzeinsätzen in der Bundesliga wurden erste Vergleiche zu Klubikone Lukas Podolski gezogen, nach acht Bundesligaspielen wuchern die wildesten Fantasien.
Es wird über dreistellige Millionenablösen sinniert, jeder El-Mala-Ballkontakt löst ein Raunen im Stadion aus und Kwasniok ärgert sich über die Fake-News, die nie weit sind, wenn so ein Wahnsinn ausbricht. Selbst seriöse Medien verbreiten Berichte, dass Klubs wie Bayern München ein konkretes Interesse an einer Verpflichtung El Malas in Köln hinterlegt haben. Das sei „nicht in Ordnung“, sagte Kwasniok Anfang des Monats. „Für solch eine Behauptung muss kein Journalist eine Konsequenz fürchten, aber wie soll ein so junger Spieler das verarbeiten? Eigentlich gibt es überhaupt keine Themen um ihn herum, die werden einfach künstlich aufgebauscht. Wie soll da jemand normal bleiben?“
Wobei: Ein Thema gibt es schon. El Mala findet immer wieder verblüffende Wege durch gegnerische Abwehrreihen und schießt spektakuläre Tore. Sollte ihm das auch gegen Bayern gelingen, würden so langsam auch die Leute in Peru, Indien oder Alaska den Namen El Mala kennen.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert