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Säugling im Büro

■ Alexander gluckst fröhlich auf der Matte, während Mama arbeitet

Säugling im Büro

Alexander gluckst fröhlich auf der Matte, während Mama arbeitet

Der kleine Alexander hat in der Angestelltenkammer einiges durcheinandergebracht. Doch davon merkt er nichts, ganz im Gegenteil: Er fühlt sich wohl auf seiner Matratze neben Mutters Schreibtisch, beobachtet vergnügt sein Mobile. Seit dem 19. Juli bringt Margareta Steinrücke den wenige Wochen alten Säugling mit ins Büro. „Es gab nach dem Mutterschutz keine andere Möglichkeit für mich, möglichst schnell an den Scheibtisch zurückzukehren“, sagt die Referentin für Frauenforschung, die sich beruflich damit beschäftigt, inwiefern die soziale Lage von Frauen und Männern schichtenspezifisch unterschiedlich ist. Die Abteilungsleitung war, so erzählt Margareta Steinrücke, überzeugt von ihrerAbsicht und erlaubte, was bisher bundesweit nur ganz wenigen Frauen ermöglicht wurde: das Baby während der Stillzeit mit zur Arbeitsstelle zu bringen.

Und während die Kollegen und Kolleginnen nach Einschätzung der Mutter mit der Situation wunderbar zurechtkamen, warvon der Geschäftsführung zunehmend Unmut zu hören. Sie verbot die Ausnahmeregelung kurzerhand — zumal vor Jahren einer Kollegin auch schon untersagt worden sei, das Problem Erwerbstätigkeit und Mutterschaft auf diesem Weg zu lösen. In der Auseinandersetzung habe die Geschäftsführung vor allem betont, es nicht allen Frauen erlauben zu können — besonders nicht denjenigen, die im Kundenverkehr (z.B. in der Beratung) tätig sind. Deshalb könne dann auch keine Ausnahme gemacht werden. Basta.

Ab 1. September muß Margareta Steinrücke einen anderen Weg finden. Dann muß sie die gesetzlichen Möglichkeiten des Mutterschutzes soweit als möglich ausnutzen und entweder zum Stillen zu ihrem Baby fahren oder sich den Säugling von irgendjemanden ins Büro bringen lassen: „So jemanden suchen Sie mal“, sagt Frau Steinrücke.

Sie persönlich hat nun Glück im Unglück: der Vater des Kindes wird zu diesem Termin überraschend arbeitslos, weil seine Umschulungsmaßnahme den Kürzungen zum Opfer fiel. Doch für Iris Bleyer-Rex, Koordinatorin des „Arbeitskreis Frauenpolitik“ an der Angestelltenkammer, wird damit deutlich: „Die gesetzlichen Regelungen reichen nicht aus, um die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Erwerbstätigkeit zu regeln.“ Gerade Stillpausen sind in den meisten Fällen nur sehr schwer zu realisieren. Bleyer-Rex: „Hier gibt es Regelungsbedarf.“ Im Grunde müßten in Betriebsvereinbarungen und Frauenförderplänen Rahmenbedingungen festgelegt werden.

Dabei dürfen Regelungen aber nicht an bestimmte Berufsgruppen gebunden sein, betont die Fachfrau für politische und kulturelle Bildung. Doch diese Diskussionen würden öffentlich noch längst nicht geführt. Zu unterschiedlich sind die Auffassungen der (Un-)Vereinbarkeit von Kinderkriegen und Erwerbsarbeit noch. An der Universität soll es allerdings schon zwei Frauen in der Verwaltung gelungen sein, ihre Babys während der Stillzeit mit ins Büro zu nehmen. ra

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