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Saddam Hussein beherrscht den UNO-Gipfel

Die 45. UNO-Vollversammlung wurde in New York eröffnet/ Genscher konferiert schon um 8 Uhr früh mit Schewardnadse über die Weltpolitik/ Der Bösewicht aller heißt diesmal Saddam Hussein/ Werden den schönen Worten auch schöne Taten folgen?  ■ Aus New York Rolf Paasch

Es herrschte eine Atmosphäre wie am Premierentag. Minister oder Ständige Vertreter der UN-Missionen huschten schon gesprächsfertig durch die Plüschflure der luxuriösen Apartmenthäuser und Hotelkomplexe. Willkommen im UNO-Land zwischen New Yorks Upper und Lower East Side, wo die diplomatische Geschäftigkeit in diesen Tagen eine neue Bedeutung angenommen hat. Willkommen zur Eröffnung der 45. UNO-Vollversammlung, diesmal mit Starbesetzung nach den eher enttäuschenden Vorstellungen des bisherigen Kalten-Kriegs-Ensembles.

Während sich die frühmorgendlichen Touristenströme artig vor dem Sitzungsgebäude um die Tickets anstellen, hat Bundesaußenminister Genscher schon sein erstes Tagwerk hinter sich. 8 Uhr. Gespräch mit dem Kollegen Schewardnadse. Vieles wird einfach abgehakt. Wirtschaftsabkommen, Überleitungsvertrag und Stationierungsabkommen werden noch in dieser Woche paraphiert, die Unterzeichnung des Dokuments über die Suspendierung der alliierten Rechte zwischen der Einigung und dem Inkrafttreten des 2+4-Vertrages findet am 1. Oktober hier in New York statt. Nur den konventionellen Abrüstungsverhandlungen in Wien wird man noch einmal einen Stoß geben müssen, damit sie wie geplant bis zum Pariser KSZE-Gipfel im November abgeschlossen sein werden. Doch am Ende dieser UNO- und KSZE-Woche in New York, so Genscher, werde in bezug auf Wien I größere Klarheit herrschen.

Und dann zu Saddam, dem Bösewicht im Rampenlicht. „Keine Prämie für Aggression“: darauf einigt man sich, sonst gebe es eine schlechte Signalwirkung für zukünftige Aggressionen. Nach einer überaus „herzlichen“ und „liebenswürdigen“ Begegnung wird Schewardnadse noch für dieses Jahr in das neue von ihm hingenommene Deutschland eingeladen; und dann geht es rüber zum UNO-Sitzungssaal.

Dort steht bereits der brasilianische Präsident Fernando Collor de Mello auf der Bühne, der mit seiner Pomade im Haar eine Alternativkarriere als Modell für Boss-Anzüge nur knapp verpaßt zu haben scheint. Collor hat sich für diese Eröffnungsansprache — und sein Land — viel vorgenommen. Auf der Suche nach einer „Moderne mit menschlichem Gesicht“ fordert der 41jährige Inflationsdompteur von den Industrieländern den freien Marktzugang und die Versorgung mit moderner Technologie. Im Ausgleich dazu werde sein Land noch mehr als bisher für den Umweltschutz und gegen die Zerstörung der Lebensbedingungen seiner indianischen Ureinwohner tun.

Wie Collor werden in den nächsten zwei Wochen Dutzende von Staatspräsidenten, Außenminister und UNO-Botschafter vor der Vollversammlung das Blaue vom Himmel versprechen und die neuen friedlichen Zeiten beschwören. Ob der neuen Einigkeit von Ost und West im politischen Krisenmanagement auch Taten bei den wirtschaftlichen und sozialen Problemen der Nord-Süd- Problematik folgen werden, bleibt abzuwarten.

Schon am kommenden Wochenende werden die in New York zum sogenannten „Kindergipfel“ der UN-Organisation UNICEF zusammentreffenden Regierungschefs beweisen müssen, ob es ihnen mit dem Ziel dieser Veranstaltung wirklich ernst ist, die zukünftige „Friedensdividende“ zur Rettung der 40.000 Kinder unter fünf Jahren zu verwenden, die in den Entwicklungsländern täglich an Hunger und Krankheit sterben.

Doch ihren noch konkreteren Test, so sehen das die meisten UNO- Mitglieder, wird die von allen beschworene „neue Ordnung“ erst einmal in der Golfkrise bestehen müssen, wenn sich die Außenminister der fünf permanenten Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates jetzt auf ein Luftembargo gegenüber dem Irak entscheiden müssen.

Der französische Staatspräsident Fran¿ois Mitterrand ließ in seiner Ansprache vom marmornen Pult des Sitzungssaales jedenfalls keinen Zweifel daran, wie mit Saddam Hussein umgegangen werden müsse. Die Souveränität Kuwaits „steht nicht zur Verhandlung“. Wenn sich der Irak jedoch zurückziehe, so Mitterrand, sei alles möglich. Der französische Staatschef skizzierte dabei einen Vier-Punkte-Plan für die langfristige Lösung der Golfkrise. Nach der Erfüllung der UNO-Resolutionen und dem bedingungslosen Rückzug der irakischen Truppen aus Kuwait (Phase 1) werde die internationale Gemeinde ihrerseits ihre Streitmacht vom Golf abziehen (Phase 2). Wahlen in Kuwait schloß Mitterrand dabei nicht aus. Anschließend werde eine internationale Konferenz nach einer friedlichen Lösung für den Nahostkonflikt suchen, die, so Mitterrand, auch die Probleme im Libanon und die Palästinenserfrage miteinschließen müsse (Phase 3). Am Ende könnten dann Verhandlungen über eine Abrüstung in der gesamten Region stehen (Phase 4). Sagte der Mann, dessen Regierung neben anderen bis heute fleißig für die Militarisierung der Region gesorgt hat. Solange vor dem New Yorker Völkerforum solch dramatisch wenig überzeugende Monologe gehalten werden, bleibt die Pistolenskulptur auf dem UNO-Vorplatz mit ihrem geknoteten Lauf nur eine Kulisse.

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