Sachverständige gegen EU-Abschottung: Im Boot ist noch Platz
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration kritisiert den Umgang der EU-Staaten mit Flüchtlingen und warnen vor "populistischer Kulturpanik".
BERLIN taz | Der Umgang der EU-Staaten mit Flüchtlingen aus Nordafrika stößt beim Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) auf Kritik. "Die ,Festung Europa' darf sich nicht länger darauf beschränken, ihre Außengrenzen abzuschotten", fordert der SVR in seinem Jahresgutachten. In "überschaubarem Umfang" müssten legale Zuwanderungswege eröffnet werden. Für eine großzügigere Aufnahme von Flüchtlingen gibt es laut SVR-Zahlen auch Unterstützung in der Bevölkerung.
Die bisherigen Herkunftsländer von Migration in Richtung Deutschland dürften schon bald als Zuwanderungsquellen ausfallen. Viele Schwellenländer werden wirtschaftlich aufholen und selbst Zuwanderung anziehen, sagt der SVR voraus. Deutschlands Nachbarn fallen als Herkunftsländer ebenfalls weg, da hier der demografische Wandel wirkt. Der SVR fordert deshalb eine Umorientierung auf neue Herkunftsgebiete, vor allem in Zentral- und Südostasien (etwa Indien und Usbekistan) sowie Nordafrika (Marokko, Ägypten und Tunesien).
Seit Beginn der politischen Umwälzungen in der arabischen Welt sind aus Nordafrika über 25.000 Menschen allein nach Italien geflohen. Obwohl bis jetzt noch keiner dieser Flüchtlinge bis nach Deutschland gelangt ist, kündigten Innenpolitiker von CDU und CSU bereits an, Grenzkontrollen zu verschärfen. Das Signal ist: Abschottung und Abschreckung.
Ein fatales Signal, findet der SVR. Er warnt vor "wirtschaftsfeindlicher populistischer Kulturpanik". Bei der Flüchtlingsaufnahme, so plädiert der SVR, sollten "in gewissem Umfang auch Interessen des Aufnahmelandes eine Rolle spielen dürfen". Qualifizierte Flüchtlinge könnten nicht zurückgeschickt werden, "während man gleichzeitig genau diese Berufsgruppen mit geringem Erfolg als qualifizierte Zuwanderer sucht".
Dabei könnte die Politik, anders als oft angenommen, für einen solchen Kurs mit viel gesellschaftlicher Unterstützung rechnen. Das SVR-Migrationsbarometer, eine repräsentative Umfrage von 2.450 Personen mit und ohne Migrationshintergrund, zeigt: Fast 50 Prozent der Nichtmigranten wünschen sich eine großzügigere Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden - gegenüber 25 Prozent, die eine noch restriktivere Aufnahmepolitik befürworten.
Die Politik verwechsele die "nüchternen Einschätzungen der Bürgergesellschaft oft mit hysterischen publizistischen Diskursen", meint der SVR-Vorsitzende Klaus Bade. Zu häufig würde sich "auf eine angeblich verbreitete ,Das Boot ist voll'-Panik" berufen. Die angeblich vorhandene Stimmung diene dann als "Legitimation zum politischen Nichthandeln beziehungsweise zur Fundamentalopposition" gegen jegliche Migrationspolitik.
Auch sonst ergibt das Migrationsbarometer das Bild einer Bevölkerung, die überwiegend gut informiert ist und die Lage nüchtern einschätzt. Fast zwei Drittel gehen richtigerweise davon aus, dass es einen negativen oder beinahe ausgeglichenen Wanderungssaldo in Deutschland gibt. Nur beim Hauptherkunftsland zeigt sich Unwissenheit: Die Türkei sei Spitzenreiter, glauben 30 Prozent. In Wahrheit kommen die meisten Zuwanderer aus Polen - davon gingen nur 6 Prozent aus.
Leser*innenkommentare
routier
Gast
Die Frage ist doch nicht ob in diesem Boot mehr Platz ist. Ein Boot muß nicht voll sein -kentert doch schneller. Wir sind dabei eine Klage gegen die Shischa-Bars einzureichen, weil die dermaßen stinken. Wehrt Euch, alles Facharbeiter die nicht bis drei zählen können.
Gegenrudern.
gutmensch
Gast
Wieso erhalten illegal Eingereiste eine Aufenthaltsgenehmigung - einfach so?
Da muss sich doch jeder 'normale' Antregsteller in Tunis extrem doof vorkommen, oder nicht?!?
Maddin
Gast
Der SVR warnt vor "populistischer Kulturpanik".
Der SVR spricht von der "Festung Europa".
Und für eine großzügigere Aufnahme von Flüchtlingen gibt es laut SVR-Zahlen auch Unterstützung in der Bevölkerung.
Aus welchem Jahr stammen diese Aussagen? 1981?
Enzo Aduro
Gast
Qualifizierte Flüchtlinge können sich gerne mit Ihren Unterlagen in Tunis und Alexandria melden. Bei entsprechender Qualifikation sollten Sie ein Aufenhaltstitel, ein Arbeitstitel, ein Flugticket und ein verzinstes Dahrlehen (aber schon deutlich Verzinst) über bis zu 2 Monatsgehälter erhalten, falls Sie denn ein Dahrlehen möchten.
Aber den Schlepperbanden dürfen wir nicht in die Hände Spielen!
Jürgen Kluzik
Gast
@ Michaela
In unserer Verfassung ist, aus sehr guten Gründen, nicht verankert, dass der Plebs direkt und unmittelbar regiert.
Eugen
Gast
Ob die Ergebnisse des Migrationsbarometers diese weitreichenden Empfehlungen erlauben, scheint mir zumindest fraglich:
Zum einen wurden gerade einmal ~750 Personen ohne Migrationshintergrund befragt zum andern bietet der Bericht keinerlei Hinweise (Alterstruktur und Gechlechtsstrukture der befragten) die es erlauben würden, sich eine ungefähre Vorstellung über die Repräsentativität dieser Untersuchung zu bilden.
Alles in allem ist die dürftige methodische Dokumentation nicht geeignet, Zweifel an der Ergebnisoffenheit dieser Befragung zu zerstreuen.
Florentine
Gast
Der sogenannte 'Sachverständigenrat' auf seiner Internetseite über seine 'Herkunft': "Der Sachverständigenrat geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören acht Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Körber-Stiftung, Vodafone Stiftung und ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius".Na, alles klar?
ugur
Gast
los ab in die höhle oder nach altermedia, ihr arischen trolle
broxx
Gast
So ein Schwachsinn! Wenn wir Europäer tatsächlich eine "Festung" Europa hätten, hätten wir nicht so viele Kulturbereicherer, die uns auf der Tasche liegen, hier
Swanni
Gast
Wieso veröffentlicht die Taz eigentlich jeden Furz der neoliberalen PR-Agentur "Sachverständigenrat" als seriöse Nachricht ? Weil´s pro-Migration und damit automatisch gut ist ?
Andreas H. aus Köln
Gast
Ist es denkbar, das dieser "Sachverständigenrat für Integration und Migration" ein Lobbyist ist?
Und ist es nicht so, das von Lobbyisten vorgetragene Fakten und Studien nicht die Tinte wert sind, mit denen diese geschrieben wurden?
Michaela
Gast
Die IllegalInnenschwemme muss mit allen Mitteln abgewehrt werden, notfalls sollte zu dem Thema eine europaweite Volksabstimmung gestartet werden.