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Sachter Kulturklimawechsel

■ Nach fünf Jahren Dürre und senatorialer Hartköpfigkeit: DACAPO im Aufwind

Vielleicht trügen sie, die Zeichen, die auf einen sachten Kulturklimawechsel deuten. Aber es gibt sie. Eines ist das Quentchen Luft, daß DACAPO unter seine musikalischen Flügel kriegt. Seit fünf Jahren gibt es Dacapo e.V., eine Erfindung von Ingo Ahmels, (im neuem Programm mit Rang und Titel ausgerüstet: „Geschäftsführer und künstlerischer Leiter“). Der hatte sich in den wolligen Dickschädel gesetzt, neue Musik live nach Bremen zu holen und sie den BürgerInnen so zu Gehör zu bringen, daß es außer

dem Vergnügen auch der Auseinandersetzung diene. Deshalb gab es im Bürgerhaus Weserterrassen, abends vor zischenden Zapfhähnen, Sonntag morgens zu klappernden Kaffeetassen, zeitgenössischen Jazz, außereuropäische Musik, E-Musik oder dem Weihe-Ghetto herauskonfrontierte Klassik. Unter der härenen Ägide des mit schönen Reden den Beutel zuhaltenden Kultursenators Franke brachte es Dacapo mit heftigem Pedaleinsatz auf dem Öffentlichkeitsklavier auf: 10.000 DM jährlich bedrohten Zuschusses, ständiges Barmen um 1 ABM -Stelle, kein Büro. Organisiert wurde in der Ahmelsschen Lebens- und Wohngemeinschaft. Dacapo: ein Zwangsalternativprojekt.

Im Herbste 1990 gibt es auf einmal: 1 „Stamm„stelle (Voraussetzung für zusätzliche ABM-Stellen), 1 ABM-Stelle, 20.000 Lottomark, senatoriale Hoffnungsförderung auf einen Haushaltstitel, ein Büro und einen in Seligkeit schwimmenden Ahmels: „Endlich ist es möglich, einmal drei Monate im voraus zu planen.“ Wie kommt's?

Das Büro z.B. kommt durch die kulturpolitische Veranstaltungsreihe „Lebendige Stadt“ der Shakespeare Company. Die brachte Leute und Interessen zu-und durcheinander. Dacapo brauchte ein Büro, in Shake

speares Domizil am Leibnizplatz gab es eins. Dacapo hat da jetzt nicht nur eine feste Adresse, das Theater am Leibnizplatz ist auch Austragungsort einiger Konzerte und musikalisch-wörtlicher joint ventures.

Zu den Weserterrassen in Bremen, die ab 1990 umgebaut werden, kommt als neue Konzertadresse außer dem Leibnizplatz noch die Galerie Katrin Rabus im Lesmonahaus dazu. Dort sollen Galeriekonzerte stattfinden, beginnend am 9. September mit dem Cello-Duo Biruta Acce und Michael Bach. Die Arbeitsweise von Dacapo ähnele der eigenen, begründete die Galeristin gestern auf der Dacapo-Pressekonferenz die Zusammenarbeit: Viel Initiative eines einzelnen, keine Förderkreise und großen Gremien. Und: Genauso wie sie die Musik von Hans Otte ins Lesmonahaus haben wolle, werde sie ein Auge auf der weiteren Auswahl halten. „Man hört dort anders, als wenn man im kleinen Glockensaal sitzt.“

Der andere klimaverbessernde Faktor: Der neue Kultursenator

Henning Scherf. Eine „Audienz“ (Ahmels) bei ihm eröffnete Placets für Büro und Stellen und ein bißchen mehr Geld.

Außer auf Konzerte und ihre Orte hat sich die frisch gestärkte Ahmelssche Planungsenergie auf ein Informationsdefizit in Bremen geworfen: In vier Kursangeboten, beginnend ab sofort, versucht er mit den „Methoden der Stadtguerilla“, d.h. vorbei an bestehenden Institutionen, „Wege zur Musik“ und zwar zur aktuellen zu eröffnen. „Bremer Komponisten, Komponisten, Musikkritiker, Redakteure und Dacapo-Mitarbeiter“ wollen ab 1. November im Kultursaal in 10 Abend-Doppelstunden referieren. Z.B. Ed Kröger und Heinz Wendel über 20 Jahre Bremer Jazz-Szene und Ute Schalz -Laurence über den „Notfall Musikkritik“. Weiter geplant u.a.: Dacapo-Konzert-Vidoes plus Vorträge für Schüler und ein neumusikalisches Weihnachtsmärchen für Kinder mit dem Hamburger Ensemble L'art pour L'art. Am Anfang war die Idee, inzwischen ist einiges mehr.

Uta Stolle

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