piwik no script img

SachsenEin Wiener sagt Servus

Im Dresdener Landtag verabschiedet sich Fraktionschef Peter Porsch, eine der schillernsten Figuren der Linken.

Wer wird denn weinen, wenn man auseinander geht! Peter Porsch verabschiedet sich. Bild: dpa

DRESDEN taz Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag hat gestern mit der Wahl der neuen Fraktionsspitze einen Generationswechsel vollzogen. Der bisherige parlamentarische Geschäftsführer André Hahn wurde mit 86 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Sein früheres Amt übernimmt die Ökolinke Caren Lay, die sich allerdings nur knapp gegen Hahns Intimus Klaus Tischendorf durchsetzte. Beide galten als Favoriten des scheidenden 62-jährigen Fraktionsvorsitzenden Peter Porsch.

Porsch zieht sich bis zur Landtagswahl 2009 in die zweite Reihe der Fraktion zurück - mit 31 Mandaten die zweitstärkste im Sächsischen Landesparlament. Der Landesverband ist der stärkste der Linkspartei.

Der politische Rückzug des langjährigen Frontmannes der PDS ist das eigentlich Bemerkenswerte an diesem Personalwechsel. Von seinem früheren persönlichen Mitarbeiter André Hahn sind keine gravierenden Richtungsänderungen zu erwarten. Unter ihm strebt die Linke angesichts einer schwachen Sachsen-SPD eine "gemeinsame Plattform" jenseits der CDU unter Einschluss der FDP an.

Hinter der Vaterfigur eines Peter Porsch konnte sich die bunte Mischung linker Überzeugungen in der Fraktion versammeln, die gelernten und die gefühlten Sozialisten. Zumal er auch handfest austeilen konnte. Das eher bieder-brave Personal der CDU war dem Charme, dem Witz und der gelegentlich bösartigen Gemütlichkeit des gebürtigen Wieners selten gewachsen.

Porsch verblüffte aber nicht nur den politischen Gegner. Dass er wegen einer Liebe in Jena 1968 in die DDR umzog, erscheint selbst manchem Parteigenossen von heute unbegreiflich. Ebenso das Regenbogenspektrum seiner Thesen, darunter der "Sozialismus ohne Ideologie", der "schuldenfreie Sozialismus" oder seine Vorträge zum Thema "Heimat".

Im neuen Sächsischen Landtag von 1990 zunächst hochschulpolitischer Sprecher, führte er die PDS-Fraktion seit 1994. Bewerbungen um den PDS-Bundesvorsitz, für den er 2000 im Gespräch war, lehnte er dankend ab. Umso fester war seine Position in Dresden, die allerdings durch Stasi-Vorwürfe im Landtagswahlkampf 2004 erschüttert wurde. Ihm sei egal gewesen, wer ihn ausgefragt habe, "wenn ich nur meine Frau schützen konnte", kommentiert Porsch diese Vorwürfe. Schließlich hätte das Interesse von Westjournalisten an konspirativen Lesungen in der Wohnung seiner späteren Frau das MfS erst aufmerksam gemacht.

Diese Zielscheibe wird Porsch nun nicht mehr bieten. Seine Rede-Feuilletons und seine ätzenden Zwischenrufe werden die Nachfolger aber kaum ersetzen können. Hahn fehlt es gleichfalls nicht an Biss, wohl aber am Format eines Universalgelehrten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!