: Saar-OB wieder verdächtigt
Hajo Hoffmann (SPD) soll Bilanzfälschungen bei einer kommunalen Gesellschaft gedeckt haben.Ein anderer Prozess gegen ihn wegen Untreue läuft noch. CDU fordert Rücktritt des Bürgermeisters
Aus Saarbrücken KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Der Oberbürgermeister der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken, Hajo Hoffmann (56), soll „seit Monaten“ von kriminellen Bilanzfälschungen beim kommunalen Ausbildungszentrum Burbach (AZB) gewusst und sie durch sein Schweigen mit gedeckt haben. Das jedenfalls behauptet ein Informant der Illustrierten Stern.
Bei der Staatsanwaltschaft in Saarbrücken ging zeitgleich eine anonyme Strafanzeige gegen Verantwortliche des AZB ein. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Der Sozialdemokrat Hoffmann ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der städtischen Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung (GIU), zu deren Geschäftsbereich das Ausbildungszentrum gehört. Hoffmann steht bereits seit längerem wegen Untreue vor Gericht – ohne seinen OB-Posten geräumt zu haben.
In dem neuen Fall seien drei Jahre lang die Jahresabschlüsse des Ausbilungszentrums Burbach geschönt worden, heißt es nun in dem Stern-Bericht. Tatsächlich aber habe das Ausbildungszentrum für benachteiligte Jugendliche schon in den Jahren 1999 und 2000 Verluste in Höhe von knapp einer Million Euro erwirtschaftet. Noch vergangenes Jahr sei ein Bilanzloch von über 500.000 Euro mit illegalen Methoden einfach gestopft worden. Die Buchhalter des AZB sollen von Verantwortlichen der Einrichtung zu Bilanzfälschungen genötigt worden sein.
Die Staatanwaltschaft ermittelt jetzt gegen Topmanager des AZB. Und möglicherweise bald auch gegen Mitglieder des Aufsichtsrates der Innovationsgesellschaft GIU, die – mit Hoffmann an der Spitze – die Bilanzen des Azubi-Zentrums eigentlich kontrollieren sollten. In der Strafanzeige gehe es nicht nur um Bilanzfälschungen, sondern laut Staatsanwaltschaft um Vermögensverschiebungen im großen Stil.
Einer der Geschäftsführer des AZB, der SPD-Fraktionsvorsitzende von St. Wendel, Jürgen Möller, zog sich übrigens bereits vor zwei Monaten „aus gesundheitlichen Gründen“ überraschend aus der Firma zurück, fungiert aber weiter als Geschäftsführer eines Unternehmens, das sich auf Outsourcing spezialisiert hat. Dessen Gesellschafter, so berichtete die Lokalpresse, seien zwei gemeinnützige Vereine. Einem dieser Vereine sitzt der SPD-Mann Möller vor. Der zweite Vorsitzende ist Guido Freidinger, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Breifurt und noch amtierender Geschäftsführer des AZB. Angesichts dieser Ansammlung von Sozialdemokraten fragten sich nun Grüne und Christdemokraten: Was sei schon der Kölner Klüngel gegen den SPD-Filz an der Saar? Grüne und CDU koalieren in Saarbrücken seit knapp einem Jahr.
Die Grünen beantragten eine Sondersitzung des Hauptausschusses, zu der das Beteiligungsmanagement von AZB und GIU beigeladen werden soll. Hoffmann müsse die Stadtverordneten unverzüglich umfassend selbst informieren. „Der durch die neuen Vorwürfe gegen Hoffmann noch vergrößerte politische Ansehensverlust der Stadt wird langsam unerträglich“, so Fraktionssprecherin Claudia Schmidt. Die CDU forderte erneut seinen Rücktritt. Hoffmann steht seit Oktober 2001 als Angeklagter einmal wöchentlich vor Gericht – wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil einer städtischen Gesellschaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem vor, beim Bau seines Privathauses diverse Arbeiten, die im Auftrag einer kommunalen Entwicklungsgesellschaft von einem Bauunternehmer durchgeführt wurden, der auch für die Stadt tätig ist, nicht bezahlt zu haben. Im Verfahren haben ihn mehrere Zeugen schwer belastet. Prozessbeobachter rechnen mit einer Verurteilung des OB, der an seinem Amtssessel klebt.
Hoffmann selbst wies die neuen Anschuldigungen zurück. Die Vertuschungsvorwürfe seien absurd. Gegen den Stern kündigte er „rechtliche Schritte“ an. Als „unschuldig“ hatte sich Hoffmann allerdings auch schon im Jahre 2001 nach der Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Bau seines Hauses und vor der OB-Direktwahl bezeichnet. Danach aber wollte er einen Strafbefehl akzeptieren, um dem Verfahren vor dem Amtsgericht zu entgehen. Das aber war politisch nicht durchsetzbar.
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