SYMBIOSEN AM KOTTI : Pavillon Prisma
Die Imbissbude an der Kottbusser Brücke … „Hey, das ist doch keine Imbissbude!“, raunt mir eine Stimme zu, die mir bekannt vorkommt. Kein Wunder, es ist meine eigene. Also: Der Imbiss an der Kottbusser Brücke mit dem noblen, an die Documenta gemahnenden Namen „Prisma Pavillon“ ist ein Hort der Gestrandeten. Und deshalb liebe ich ihn. Er ist für mich eine verlässliche Anlaufstelle, wenn ich nachts mit dem letzten Zug aus Dortmund von einem Heimspiel des BVB zurückkehre und ein kleiner Hunger in mir nagt oder die Niederlage noch alkoholische Nachbereitung verlangt.
Im Sommer sitze ich dann auf einem Barhocker an einem selbst gebastelten Tresen am Kanal und beobachte die Ratten, die etwas weiter unten auf einem Mauervorsprung nach Türkische-Pizza-Resten suchen, die Liebende zurücklassen. Das lauschige Plätzchen wird von beiden bevorzugt, und ich bin fasziniert von dieser engen Symbiose. Oder ich beobachte die Spinnen, die rund um die Leuchtreklameschilder des Prisma Pavillon ihre dichten Netze weben, denn die Beute ist reichlich und fett. Ich genieße die Stille, den coolen, souveränen und schnellen Service am Verkaufstresen.
Doch eines Nachts überraschen mich dezente französische Chansons. Was machen die an einem türkischen Imbiss? Ich drehe mich um. In einer Ecke des keinesfalls runden Pavillons steht eine dilettantisch zusammengezimmerte Cocktailbar aus Holz. Sie steht verlassen da. Niemand beachtet das neue Angebot, mit dem der Pavillonbesitzer aufgerüstet hat. Junge amerikanische Touristen nuckeln Bionade und Flaschenbier. Das Ambiente lässt sie kalt. Zu Hause werden sie alles vergessen haben. Einen Tisch weiter sitzt ein Boxer. Er muss eine Menge in sich hineinschichten, um seine Muskelmasse zu versorgen. Er ist vollkommen auf das Essen konzentriert. KLAUS BITTERMANN