piwik no script img

STREIT DER WOCHE„Lasst Kindern ihre Unversehrtheit“

Kleinkindern Ohrlöcher zu stechen, ist Körperverletzung, sagt Ulrike Riedel vom Deutschen Ethikrat. Andere finden es übertrieben, dauernd nach dem Staat zu rufen.

Kind oder Mama - wer will hier den Schmuck? Bild: dpa

BERLIN taz | Ihre ersten Ohrringe haben Blümchenform, innen sind sie dunkelblau, außen heller. Bald kann Jasmin Lang die medizinischen Ohrringe herausnehmen, denn die Siebenjährige hat ihre ersten Ohrlöcher schon vor sechs Wochen bekommen. Nach einer Frist von vier bis acht Wochen steht ihr das ganze Stecker-Repertoire offen, Herzchen, Kreolen, silber, gold. Dann kann Jasmin endlich bei ihren Freundinnen mitreden. Die haben sie vorher manchmal geärgert, weil sie noch keine Ohrringe hatte, wie sie in ihrem Beitrag für den Streit der Woche der sonntaz erzählt.

Bunte Stecker in kleinen Kinderohren: In Deutschland Alltag. Nur fragen viele gerade: Wünschen sich Drei-, Vier-, Fünfjährige Ohrringe wirklich selbst – oder sind es doch die Eltern?

Darauf kommt es gar nicht an, findet Ulrike Riedel, Mitglied des Deutschen Ethikrates. Wenn ein Mensch noch nicht abschätzen kann, was ein Eingriff für seine Gesundheit und sein Ansehen bedeutet, sei dieser Eingriff strafbar und dürfe nicht stattfinden, schreibt sie im Streit der Woche der sonntaz. "Ich bezweifle, dass das Ohrlochstechen dem Kindeswohl dient", sagt Riedel. "Eltern müssen abwarten, bis das Kind entscheidungsfähig ist, auch wenn es noch so quengelt."

Hintergrund der Debatte um Ohrlöcher für Kleinkinder ist ein Prozess vor dem Amtsgericht Berlin-Lichtenberg. Dort prüften Richter, ob sich die Eltern eines jungen Mädchens strafbar gemacht haben, weil sie ihm im Alter von drei Jahren Ohrlöcher stechen ließen und es dabei Komplikationen gab. Die Eltern hatten die Besitzerin des Piercingstudios verklagt. Auch ihre Verantwortung wird überprüft: Zwar endete der Zivilprozess vor dem Berliner Amtsgericht am Freitag mit einem Vergleich, die Inhaberin des Tattoo-Studios zahlt den Eltern siebzig Euro. Wahrscheinlich soll der Fall aber an die Staatsanwaltschaft übergeben werden.

Bild: taz
sonntaz

Den kompletten Streit der Woche und viele spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 1./2. September 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

Wirbel ist "übertrieben"

Emine Demirbüken-Wegner, CDU-Staatssekretärin für Gesundheit im Berliner Senat, hält den Wirbel um dem Prozess für "übertrieben". In ihrem Beitrag für die sonntaz schreibt sie: "Aus dem sogenannten Ohrlochprozess eine gesundheitspolitische Grundsatzdebatte zu stilisieren, halte ich für abwegig." Man müsse den Eltern schon ein Stück Verantwortung zugestehen, anstatt ständig nach dem Staat zu rufen.

Doch andere finden es problematisch, den Eltern die Entscheidung allein zu überlassen. Denn wer denkt bei einem kurzen Schuss durch das Ohrläppchen schon an die Folgen – daran, dass etwa wichtige Akupunkturpunkte im Ohr verletzt werden können? Für den Vorsitzenden der Ersten Organisation Professioneller Piercer, Linus Schütte, liegt die Toleranzgrenze für Ohrlöcher daher bei 14 Jahren – und nicht darunter. "Lasst Kindern ihre Unversehrtheit", schreibt er der sonntaz. Er fordert "ein gesetzliches Nein zu solchen Eingriffen an Menschen unter 14."

Jasmin Lang hätte also in Schüttes Studio keine Löcher bekommen. Sie sagt, sie habe selbst länger über die Ohrlöcher nachgedacht und sich jetzt dafür entschieden, um sich schön zu verkleiden und für Feste hübsch zu machen. Doch während Jasmin glaubt, sich bewusst entschieden zu haben, findet sie, dass noch jüngere Kinder keine Ohrringe bekommen sollten. "Die können das ja noch gar nicht selbst wollen", sagt sie. "Und das tut dann bestimmt auch mehr weh und wenn die Kinder älter sind und es ihnen dann nicht gefällt, streiten sie dann mit ihren Eltern."

Die sonntaz-Frage "Ohrlöcher für Kinder?" diskutieren außerdem Detlef Diepen, Arzt für Kinderheilkunde in Oldenburg, Susanne Philipp von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW und Sven Piepkorn, der die Frage per Mail kommentiert hat – in der sonntaz vom 01./ 02.September. Die sonntaz gibt es auch im Wochenendabo.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • D
    Diana

    zum Thema Ohrlochstechen : jedes Kind das geimpft wird schreit mehr und hat länger Schmerzen , da die meisten Impfungen in den Muskel injeziert werden und es dadurch zu Tage langen Schmerzen kommen kann. Also verstehe ich das ganze Theater überhaupt nicht.

     

    zum Thema Beschneidung : absolut unverständlich das man in einem nicht moslemischen Land überhaupt auf die Idee kommt dies zu Dulden dies ist Verstümmelung eines Kindes ohne Grund und es ist nicht umkehrbar dafür sollten die Eltern für jede zugelassene Beschneidung sich eines seiner Finger abschneiden lassen ....wie warum nicht das ist vielleicht in einem noch uns unbekannten Land auch eine kulturelle Zeremonie also mal im Ernst Wir Deutschen sind doch echt nicht mehr ganz klar wir wiedersprechen uns ständig , dulden alles und jeden wo soll das alles hinführen ?????

  • HR
    HP Remmler

    Wer schreit denn hier nach dem Staat? Gesunder Menschenverstand würde vollauf genügen, und dass der nicht unbedingt bei den Staatsorganen (und noch viel weniger in den Religionen) zu Hause ist, muss ich wohl nicht erst beweisen...

  • RB
    Rüdiger Biedermann

    Es war für mich ein glücklicher Moment, als in Deutschland 2001 jede Gewalt gegen Kinder als strafbare Handlung im Strafgesetzbuch festgelegt wurde - und ich weiß nur zu deutlich am eigenen Leibe erfahren, was Schläge bedeuten. Und da soll es auf einmal rechtens sein, Kindern Schmerzen zuzufügen, nur weil dies von irgend einer Gottesphantasie (Jahwe oder Allah) vor 1300 Jahren bzw. 2400 Jahren einmal in einen sogenannten heiligen TExt hinein geschrieben wurde.

    Die windelweiche Haltung der taz in dieser Frage wundert mich schon.

  • L
    lochimkinderohr

    Als kleines Mädchen wollte ich natürlich auch Ohrringe tragen wie alle Freundinnen aber meine Mutter behauptete, sie liebte mich zu sehr als dass sie zulassen wollte, dass jemand Löcher in ihr Kind bohrt.

     

    Das Argument hat mich und die Freundinnen nachhaltig beeindruckt mich aber später nicht davon abgehalten, Löcher in mich bohren zu lassen.

     

    Aber bei meinem Sohn und dessen Freunden habe ich das Augenbrauenpiercing so erfolgreich umgehen können.

     

    Wie auch immer; ich halte die Ohrlochdiskussion für einen Nebenkriegsschauplatz. Tatsächlich geht es darum, ob Erwachsene kleinen Jungs am Schniedel rumschnippeln dürfen weil sie behaupten, ein Gott wolle das so.

     

    Ich bin für einen säkularen Staat, dann verfangen solche Unsinnsargumente nicht. Und dann müsste man eine großangelegte Erhebung machen, ob und welche Folgen für das KIND! dieser "harmlose" Eingriff tatsächlich hat.

  • F
    felix

    Meine Schwester wollte unbedingt Ohrringe haben, da war sie 4 Jahre alt. Eines Tages gab meine Mutter nach und wir gingen zum Schmuckladen im Dorf. Sie hat ihr gesagt, dass es weh tun wird, aber meine Schwester ließ sich nicht von dem Wunsch nach Ohrringen abhalten. Beim Stechen der Ohrlöcher hat sie noch die Zähne zusammengebissen, aber auf dem ganzen Heimweg hat sie geweint und geschrien, dass man es im ganzen Dorf gehört hat. Aber bereits am nächsten Tag waren die Schmerzen verflogen und sie war ganz stolz auf ihre Ohrringe, eigentlich keine Ringe, sondern solche Stecker.

     

    Ab dem 14. bis 16. Lebensjahr entwickelte sie allerdings eine Allergie. Sie mußte z.B. die Metallrückwände von Armbanduhren mit Plastik abkleben, weil sie davon Hautausschläge bekam. Irgendwann reichte es, wenn sie Türklinken aus Metall berührte und mit den Handflächen an die empfindlichen Unterarme fasste. Schließlich bekam sie Probleme mit den Ohrringen, ihre Ohrläppchen schwollen an. Nickelallergie sagte der Arzt. Aber auch mit medizinischen Ohrringen hatte sie Probleme. Also trug sie von da an keine Ohrringe mehr. Die Ohrlöcher sind nie wieder richtig zugewachsen und das sah unmöglich aus. Deutlich sichtbare Ohrlöcher, aber keine Ringe drin.

     

    Sie ist dafür, dass man mit dem Stechen von Ohrlöchern bis ins Erwachsenenalter abwartet, oder am besten überhaupt keine irreversiblen Änderungen am Körper vornimmt.

     

    Man sieht auch, dass je höher entwickelt eine Zivilisation ist, der Grad der körperlichen Selbstverstümmelung zu "Schmuckzwecken" abmimmt. Je primitiver eine Population ist, desto mehr Verstümmelungen gibt es - Schneidezähe spitz schlagen, Lippenteller, Ohrenteller, Nasenknochen, Tätowierungen, Piercings usw.

     

    Auch in Deutschland gilt die Regel: Je geringer der Bildungsgrad eines Menschen, desto höher die Neigung zu irreversiblen Veränderungen am Körper. Je mehr Tatoos und Piercings jemand hat, desto geringer ist das Bildungsniveau und die soziale Stellung. Das liegt auch auf der Hand: Wenn man nichts anderes hat, mit dem man Aufmerksamkeit wecken kann, dann wenigstens durch brutalen und/oder extremen Körperschmuck.

     

    Ohrringe sollte man sich erst stechen lassen dürfen, wenn man volljährig ist. Und genau das muss man auch auf alle anderen Bereiche ausdehnen: Ein Mensch soll erst nach vollendeter Volljährigkeit einer Religion beitreten dürfen, vorher muss es verboten sein, Kinder zu religiösen Veranstaltungen mitzunehmen. Und für die Schulnoten muss das selbe gelten. Was ein Kind im Alter von 6 oder 7 Jahren macht darf nicht zur Bewertung im Erwachsenenalter herangezogen werden und darf keinen Einfluss auf die schulische Laufbahn haben.

  • F
    Falmine

    Ich finde es einigermaßen verlogen, mit einer Ohrlochdebatte von der eigentlich notwendigen Diskussion um die Beschneidung von Babys und kleinen Jungen abzulenken. So finde ich Ulrike Riedels Haltung über das Ohrlochstechen wenig überzeugend, wenn sie gleichzeitig im Ethikrat für die Beschneidung kleiner Jungen stimmt! http://www.frei-denken.ch/de/2012/08/deutscher-ethikrat-einstimmig-fur-die-beschneidung/

    Wir können uns meinetwegen darauf verständigen, dass OHNE MEDIZINISCHE INDIKATION die grundgesetzlich garantierte körperliche Unversehrtheit aller Kinder Vorrang vor religiös oder kosmetisch motivierten Eingriffen haben muss, bis Kinder, frühestens im Alter von 14 Jahren, die Tragweite eines Eingriffs selbst überblicken und entscheiden können. Das gilt dann aber für ALLE nicht medizinisch indizierten Eingriffe!

  • N
    Nicola

    Ich denke es ist angebracht sich wirklich Gedanken zu machen, ein bißchen Zeit zu investieren um verschiedene Meinungen auf sich wirken zu lassen, und zu verstehen, das nicht alles was schon immer o.k. war, deswegen auch richtig ist.

    Aus der Luft gegriffene Vergleiche sind einfach mal keine wirkliche Hilfe, um sich einem Thema anzunähern.

  • M
    Moritz

    Körperverletzung ist, wenn Kinder in der Schule mit Fertigessen abgespeist werden.

  • L
    Luetzgendorff

    Auch beim Impfen, Zahnspangen und sonstigen OPs sollten Eltern nicht mehr Körperverletzungen anordnen können - da muss einfach abgewartet werden, bis die Kinder selbst entscheiden können.

    Abgesehen davon sollte man sich auch mal Gedanken darüber machen, ob nicht auch Erziehungsversuche eine unerträgliche Bevormundung und Beeinträchtigung des Kindes darstellen. Eltern sollten grundsätzlich nur Nahrung, Kleidung und Wohnstatf zur Verfügung stellen und ansonsten alle Übergriffe unterlassen!

  • H
    Harleyquincey

    Ich glaub ich gründe eine Religionsgemeinschaft nach der sämtliche körperlichen Verunstaltungen auch bereits nach der Geburt erlaubt sind und wenn wir gerad dabei sind gibts dort dann auch 60 religiöse Feiertage. Wieviele braucht man da wohl um eine offizielle Religionsgemeinschaft zu werden?

     

    Ich glaub ich nenn das Ganze.. Doofinismus. Predigten sind dann wahlweise Montags morgens zwischen 08.00 Uhr und 11.00 Uhr oder Freitags, immer kurz vor Feierabend und verpflichtende Gebetszeit für alle Anhänger.

     

    Und natürlich ist im Doofinismus immer Der Andere schuld, eine Entität nach der wir selbst sowieso keinerlei Verantwortung tragen

  • A
    Arne

    Natürlich liegt sofort die Betrachtung zur Debatte über Besachneidungen nahe.

    Ich bin allerdings bei beiden Debatten überrascht, welche hervorragenden Kenntnisse auf einmal die deutsche Bevölkerung über die geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen erreicht hat. (Wahrscheinlich ein Erfolg maßloser Bildungsanstrengungen privater Fernsehsendet wie mit der Super-Nanny!)

    Ein Mensch, der vor 13 Jahren und 365 Tagen geboren wurde, weiß natürlich noch überhaupt nicht, ob es ein Ohrloch haben möchte oder beschnitten werden will. Aber schon einen Tag später ist diesem Menschen alles klar.

    Und das ist bei allen Menschen gleich, egal, wo sie aufgewachsen sind oder ob sie eine emotionale oder eine Lern- Behinderung haben. Wie schön.

    Das Kind darf zwar rechtskräftige Schulnoten erbringen (Die ihm das Leben wahrscheinlich mehr versauen können als irgendein Ohrloch oder eine männliche Vorhautbeschneidung), aber bloß keine rechtskräftige Entscheidung über sich selbst treffen.

    Vorschlag:

    Prüft es, ob ein Kind schon absehen kann, welchen gesundheitlichen Eingriff es an sich durchführen lassen möchte. Legt fest, was man dafür überblicken können muss. Sollten aus irgendwelchen Gründen Eltern dennoch es für notwendig halten, eine derartige Entscheidung für ihr Kind zu treffen, dann gebt dem Kind die Möglichkeit, seine Eltern ab dem Zeitpunkt, ab dem es rechtsfähig entscheiden kann, ob dies falsch von den Eltern war, diese zivilrechtlich zu verklagen. Das sorgt für Selbstbestimmung und wird einige Eltern zum Nachdenken bringen. ("Ich wurde gemoppt/fühle mich verletzt, weil ich (k)ein Ohrloch, ... (k)eine Vorhaut, ... (k)eine Taufe, ... (k)eine Kommunion, ...(k)eine Impfung...(k)ein Abitur nach 13 Jahren etc. hatte!") Aber so selbstständige Menschen will man dann evtl. doch nicht, lieber möglichst körperlich unversehrte, die egal, was die Eltern machen nur von der Gesellschaft als Opfer gesehen werden und die damit ein Bild des Kindseins vermittelt, wo es keinen Spaß mehr macht, Kind zu sein.

  • P
    Philosofia7

    hallo was soll das? Zensieren Sie? - Ich fragte, was mit den Ultraschalluntersuchungen und den unnötigen Impfungen ist? Diese sollten verboten werden!

  • W
    wauz

    Die Erziehungspolizei kommt!

     

    Endlich gibt es klare Anhaltspunkte für Misshandlung! Ohrlöcher kann man schließlich auch vor der dämlichsten Fürsorgerin verbergen. Macht es kurz und dumm, dann ist Kontrolle einfach.

  • H
    HanneM

    Mal abgesehen von der juristischen Frage (ich bin kein Jurist): wünscht sich z. B. eine zehnjährige Grundschülerin Ohrlöcher, finde ich es nach menschlichem Ermessen durchaus in Ordnung, wenn ihr die Eltern nach einem altersangemessenem Gespräch über das Ohrlochstechen diesen Wunsch erfüllen. Absolut hirnrissig ist es aber, wenn Eltern bereits Kleinkindern im Wickelalter Ohrlöcher stechen lassen - ich frage mich ernsthaft, welche "Überlegungen" einer solchen Handlung vorausgehen: "sieht noch süßer aus" etc.?? Ich wünsche mir generell eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, dass die Versorgung und Erziehung von Kindern eine nicht unerhebliche intellektuelle Leistung abverlangt und daher einen Mindeststandard an seelischer und geistiger Reife der Eltern erfordert, den ganz offensichtlich nicht jede/r zeugungs- und gebärfähige erwachsene Mensch vorweisen kann. Es ist Kindern gegenüber unverantwortlich und darüber hinaus unzeitgemäß, wenn "den Eltern" entweder pauschal ohne Interesse an den tatsächlichen Verhältnissen großartige, einzig durch Mutter Natur gegebene Erziehungsfähigkeiten unterstellt werden (wie es etwa die Befürworter des Betreuungsgeldes mit Blick auf das Phantom "traditionelle allwissende Hausfrau" ständig tun)oder gleich ein Generalverdacht gegen "die Eltern" größerer minderjähriger Kinder mit Ohrloch (das ja außerdem wieder zusammenwachsen kann) geäußert wird.

  • H
    Hörnerträger

    Wie konnte die Menschheit die letzten zig-tausend Jahre überleben ohne detaillierte Regelungen zur jedem kleinsten Alltagsthema? Wir und alle Generationen vor uns: Ein Haufen traumatisierter, emotional Gestörter, denen man keine Verantwortung übertragen sollte. Zu dumm, daß auch die Gesetzgeber, nach denen immer gerufen wird, zu diesen Minderbemittelten gehören...

     

    Kurz könnte ich auch fragen: Habt ihr alle sonst keine Probleme?

     

    Weitere Diskussionsvorschläge: Dürfen Kinder im Auto mitfahren? Dürfen Eltern bestimmen, was ihre Kinder essen? Ist es zulässig, daß wir alle atmen???

  • A
    AndreasF

    Interessant....

     

    Das Ohrenstechen bei Mädchen unter 14 soll strafbar sein, es diene nicht dem Kindeswohl etc...

     

    Und die Gleiche Zeitung berichtet darüber, dass die Beschneidung bei Jungen und männlichen Säuglingen OK ist, weil man ja die religösität ... usw.

     

    Na klar, Jungs zählen in unserer Gesellschaft sowieso weniger wie Mädchen. Diese Diskriminierung wird jeden Tag deutlicher!

  • A
    Arcy

    Und das Thema der nächsten Woche: "Ist Coca Cola light schädlich für Kinder" ;-)

  • SM
    Sarah Mohn

    Interessant hier, dass sich Ulrike Riedel, Mitglied des Deutschen Ethikrates, sich noch am 23. August gegen die Rechte der Unversehrtheit von Kindern in der Beschneidungsdebatte ausgesprochen hat, hier nun dafür einsetzt, indem sie Ohrenstechen bei Kindern unter 14 Jahren gesetzlich verbieten will.

     

    Na, wenn das kein Gesinnungstanz nach Gut - Dünken ist, dann weiß ich auch nicht mehr.

     

    Mal so, mal so - gerade wie sie es brauchen. Und das schimpft sich Ethikrat! Hilfe!!!

     

    Soll das im Umkehrschluss nun heißen, dass "profane Körperverletzung" verboten, gesetzlich sanktioniert wird - hier im konkreten Fall, dass "Eltern - Rechte" - trotz Einwilligung der noch nicht mündigen!!!! Kinder als illegal verankert werden sollen, wenn es sich um Körperverletzung handelt, aber "rituelle, kulturelle Körperverletzung" an Kindern, die mit Gewalt ohne Einwilligung (weil ebenso noch nicht mündig und diese gar nicht erst gefragt, geschweige denn in Kenntnis gesetzt werden, über das, was die Eltern mit ihnen gleich vorhaben werden,) gesetzlich erlaubt und im Gegensatz zu Ohrenstechen als völlig unbedenklich hinsichtlich der Akkut- und Spätfolgen legalisiert werden soll und damit auch nicht unter der Bezeichnung "Körperverletzung" zählt?

     

    Die religiöse Vernebelung nimmt überhand in unserem Land. Beides ist eine Körperverletzung!!!

     

    Beides sollte wie bei Tätoowierungen erst mit 14 erlaubt werden, also in einem Alter, wo das Kind selbst entscheiden kann, ob es sich das antun will oder nicht!!!

    Es darf keinen Unterschied in der Wertung von Körperverletzungen, von Elternrechte und damit auf das Recht von Unversehrtheit an Leib und Seele der Kinder geben. Ob die nun unter dem Deckmäntelchen "Religion" oder "Kulturelle Gebräuche" ausgeübt wird oder aus "profanen Gründen", ist unerheblich!!!

    Fakt ist in allen Fällen, dass einem Kind Schmerz zugefügt wird und Langzeitschäden in Kauf genommen werden. Fakt ist, dass es Deutschland eine Sekularisation gibt, die alle Bürger des Landes vor dem Gesetz, unabhängig ihrer Rasse, Religions ... alle gleich behandeln muss. Ob das nun Eltern sind oder nicht, ob diedie Körperverletzung an unmündige Kinder nun aus profanen oder religiösen, gebräuchlichen Anlässen begangen wird.

    Es geht hier um die Kinder, und nicht um die Erwachsenen. Die Kinder sind hier die Opfer, die sich nicht wehren können. Darauf muss endlich mal der Fokus gesetzt werden in der gesamten mittlerweile leidigen Debatte!

     

    Sarah Mohn, Betroffene sex. rit. sat. Gewalt in der Kindheit

  • A
    Alternativlos

    Wenn die Evolution wollte, dass Kinder Löcher in den Ohren haben, dann hätten sie welche.

     

    Löcher in den Ohren haben keinen lebensnotwendigen Nutzen.Mode ist kein Grund bei einem Kind ein solchen Eingriff vorzunehmen.

     

    Es geht hier auch nicht um die z.B. im Vergleich zur Beschneidung "läppische" Ohrlochstechen. Es geht hier um das Recht auf persönliche Unversehrheit des Kindes. Es muss das Recht behalten, entsprechende Geschäftsfähigkeit vorausgesetzt, sich später dagegen oder dafür zu entscheiden.

     

    Ein Ersatz der Zustimmung durch Eltern auf Grund ist nicht somit hinnehmbar.

  • G
    gesders

    nicht ablenken - es geht darum, dass erwachsene kindern am schniedel ´rimschnippeln.

  • T
    Tina

    Ich konnte den Artikel leider nicht zu Ende lesen, weil ich micht schon über diesen Satz so sehr aufgeregt habe.

    "Wenn ein Mensch noch nicht abschätzen kann, was ein Eingriff für seine Gesundheit und sein Ansehen bedeutet, sei dieser Eingriff strafbar und dürfe nicht stattfinden" schreibt das Mitglied des Ethikrates. Ich stimme Frau Riedel da schon zu. Nur warum werden dann Ärzte und Eltern, die das Geschlecht eines Kindes festlegen nicht, nicht geahndet? Hat das nicht viel mehr Auswirkungen auf das Leben eines Menschen, als Beschneidung und Ohrlöcher? Wann wird das endlich verboten? Weil nicht sein darf, was nicht sein kann, oder wie? Also bitte lieber Ethikrat, macht euch mal um das Leben von Intersexuellen Gedanken!

  • M
    Michael

    "Denn wer denkt bei einem kurzen Schuss durch das Ohrläppchen schon an die Folgen – daran, dass etwa wichtige Akupunkturpunkte im Ohr verletzt werden können"

     

    Zur Info: Es gilt inzwischen gemeinhin als anerkannt, dass es keine Akupunkturpunkte gibt. Akupunktur "wirkt" völlig gleich, egal wo man die Nadeln reinsticht, das haben zahlreiche Studien bestätigt.

    Wäre schön, sich zu bemühen, hier keine esoterischen Märchen zu verbreiten.

     

    (Davon abgesehen ist umstritten, ob Akupunktur überhaupt wirkt, neuere Studien mit Fake-Nadeln deuten darauf hin, dass das ganze möglicherweise auf dem Placebo-Effekt beruht - aber das ist im Moment noch Gegenstand wissenschaftlicher Debatte)