: STRAUB / HUILLET
Die Filme von Danielle Huillet und Jean-Marie Straub sind Fetische. Rücksichtslos gegen Rechts- und Verwertungszusammenhänge fordern sie unbedingte Aufmerksamkeit. Entsprechend begrenzt und treu ist ihre Gemeinde. Seit fast dreißig Jahren produziert das Regisseurpaar Zumutungen: von der Chronik der Anna Magdalena Bach bis zum Paul Cezanne Filme, die zeigen, daß nicht der Schauplatz von Bedeutung ist, sondern der Ort der Kamera. Dieser ist geschichtlich aufgeladen - wie der Ort, von dem aus Cezanne sich an die Aneignung der Montagne Sainte-Victoire machte. Die präzise Endlichkeit der Einstellung verhindert die Dynamik des Filmzeitlaufs; es entstehen Folgen in sich bewegter Bilder, die an ihren Schnittstellen aufeinanderprallen. Ihre Dauer und der Einsatz geometrisch bestimmter Drehschwenks verweigert sich Geschichten. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers oszilliert zwischen der Anschauung des technischen Mediums und Unterwerfung unter sein gottgleiches Starren.
Der Ton folgt eigenen Gesetzen, dem Rhythmus und dem Versmaß der - zumeist literarischen - Vorlagen: Nicht versöhnt nach Heinrich Böll, Von der Wolke zum Widerstand nach Cesare Pavese, Klassenverhältnisse nach Franz Kafka, Der Tod des Empedokles und Schwarze Sünde nach Friedrich Hölderlin. Durch kein Bild werden die gesprochenen Texte zur Erfüllung gebracht; und doch beanspruchen die Filme von Straub und Huillet Unverrückbarkeit bis ins Detail. Wie dem Zufall Schattenspielen, Vogelgezwitscher - in endlosen Landschaftsaufnahmen sein Raum gegeben wird, so herrscht gnadenlos auch der Anspruch, ihn nachträglich zu integrieren. Das ist das Verhängnis: „Der Strom der Welt in einem Zoll Materie“ (Cezanne).
Danielle Huillet und Jean-Marie Straub sind Kommunisten. Sie begleiten ihre Filme, leben mit ihnen. Das gehört zur Bedingung der Produktion. Wie sie sich durch strenge Kopierkontrollen dem Tauschgewerbe der Filmmakler entziehen, so suchen sie diese Strenge auch bei dem Filmvorführer, dem Publikum.
Der Film Paul Cezanne. Gespräche mit Gasquet ist ein Auftragsfilm des Musee d'Orsay, Paris (er wurde nachträglich abgelehnt). Am Abend des 1. Mai wurde er im Arsenal in deutscher Sprache uraufgeführt. Danielle Huillet spricht Cezanne, Straub Gasquet. Auf der Bildebene arbeitet der Film mit fotografisch angelegten Elementen: zehn Bilder aus dem Spätwerk Cezannes, drei Schwarzweißaufnahmen des Malers durch Roussel und Bernard sowie Aufnahmen der Montagne Sainte-Victoire vom einstigen Standpunkt Cezannes. Dagegengeschnitten stehen Filmsequenzen aus Jean Renoirs Madame Bovary und aus dem letzten Film von Straub/Huillet, Der Tod des Empedokles.
Hoh/Klinggräff
„Schwarze Sünde“, 1989, heute abend um 20 Uhr, „Paul Cezanne. Gespräche mit Gasquet“, morgen um 20 Uhr im Arsenal.
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